Samstag, 1. November 2014

Samstag, 01.11.2014: Allerheiligen in Polen


Allerheiligen ist ein katholisches Fest, bei dem man aller Heiligen gedenkt, d.h. nicht nur aller heilig Gesprochenen, sondern auch aller, um deren Heiligkeit nur Gott weiß. Da es ein Hochfest ist, wird die liturgische Farbe weiß getragen. Die Tradition entstand am Anfang des 7. Jahrhunderts, als die Zahl der Heiligen nach und nach stieg und man nicht mehr jedem Heiligen gesondert gedenken konnte. 835 wurde dann von Papst Gregor IV. der Feiertag für die gesamte Westkirche auf den 01. November festgelegt, in den orthodoxen Ostkirchen wird er jedoch am ersten Sonntag nach Pfingsten gefeiert.
Gleich im Anschluss an das Heiligengedenken feiert die Kirche am 02. November Allerseelen. An diesem Fest wird aller Verstorbenen gedacht. Einem alten Volksglauben nach steigen an diesem Tag die Seelen der Verstorbenen aus dem Fegefeuer, um sich einen Tag auszuruhen.
Im katholischen Polen ist Wszystkich Świętych (Allerheiligen) ein besonders wichtiges Fest. Alle putzen ihre Gräber heraus, auch jene, die sonst nicht viel Zeit auf dem Friedhof verbringen. Man kauft Grablichter und Blumen ein und schmückt die Grabstätten nach dem Prinzip „Je mehr, desto besser“, denn ein umfangreicher Schmuck gilt als Beweis des Gedenkens. Wenn Polen auch sonst sehr auf Kunstblumen stehen, werden für Allerheiligen und den Folgetag Allerseelen (Zaduszki) gerne aufwendige Gestecke aus frischen Blumen gebastelt, auch wenn man in der heutigen Zeit auch schon fertige Blumenkränze im Supermarkt oder Blumenladen kaufen kann. Auch die Grablichter waren für mich zuerst sehr extravagant: Sind in Deutschland schlanke, rote Zylinder typisch, so findet man solche schlichten Modelle hier keineswegs. Die Kerzen hier sind groß, bunt und dickbauchig, aufwendig verziert oder zu Figuren geformt und schon als ich vor zwei Monaten in Polen ankam, waren die Läden mit einem nicht enden wollenden Bestand Lichtern voll. Trotzdem sollte man sich seine Grabkerzen rechtzeitig kaufen, denn je näher Allerheiligen rückt, desto begehrter sind sie.

Grablichter nehmen jede freie Verkaufsfläche im Tesco ein



An der Grabplatte von Czesław Niemien,
dem bedeutendsten polnischen Songwriter des 20. Jahrhunderts

Der ein oder andere hat vielleicht auch schon mal den Namen Święto Zmarłych (Totenfeier) für den 01. November gehört, obwohl die „Feier für alle Toten“ natürlich Allerseelen ist. Der Grund liegt in der kommunistischen Zeit Polens. Da man dem populären, aber christlichen Fest Allerheiligen einen weltlicheren Charakter geben wollte, führte man in der Volksrepublik Polen einfach diesen Totengedenktag am selben Tag ein und noch heute werden die Begrifflichkeiten gerne durcheinander geworfen.
Für Polen ist Allerheiligen vor allen Dingen ein Fest der Familie. Man nutzt den Anlass, gemeinsam auf den Friedhof zu gehen, die Messe zu hören und zu gedenken, um lange nicht gesehene Verwandte zu treffen. Viele Polen nehmen weite Reisen durch das ganze Land auf sich, um an jedem Familiengrab mindestens eine Kerze zu entzünden. Am Abend sind die Friedhöfe überall bunt von Blumen, voll von Menschen und hell von Lichtern – eine Atmosphäre, die man auf jeden Fall erfahren sollte, wenn man sich um diese Zeit in Polen aufhält.





Seit einigen Jahren machen aber Ärzte und Umweltschützer immer wieder auf das Gesundheitsrisiko aufmerksam, welches der dichte Smog tausender Flammen über den Gräbern mit sich bringt. Und ich muss gestehen, dass auch mir bereits nach wenigen Minuten meines zweistündigen Friedhofaufenthalts das Atmen schwer fiel.

Meine Erfahrungen mit Allerheiligen in Polen sind folgende: Am Vortag, Halloween, sind alle sehr geschäftig, denn schließlich haben am Feiertag alle Läden zu und sogar unser 24h am Tag, 365 Tage im Jahr Großmarkt Tesco hatte tatsächlich geschlossen, und so bekommt das Fest einen extrem hohen Stellenwert. Halloween wird übrigens in Polen auch zunehmend gefeiert, wenn ich auch nicht ein Kind in unserem kinderreichen Stadtviertel nach Süßigkeiten herumlaufen sah, so hatten doch wenigstens die Fisch- und Käsethekenverkäuferinnen im Tesco kleine Teufelshörnchen auf, die Kinder im Kindergarten von nebenan Hexenkostüme an und in der Innenstadt gab es diverse studentische Gruselparties.
Als ich an Allerheiligen auf dem Hauptfriedhof Warschaus, dem Powązki-Friedhof, konnte ich außerdem folgendes beobachten: Viele Leute, besonders die Damen, waren extrem aufgetakelt. Der Besuch auf dem Friedhof ist für die Polen wie eine Oscar-Verleihung für prominente Schauspieler – sehen und gesehen werden. Jeder, der noch nicht genug Kerzen und Blumen ergattern konnte, hatte vor den vielen Eingängen noch Gelegenheit, das ein oder andere Schnäppchen zu machen und für die Kinder wurden kleine Gebäckstücke wie etwa obwarzanki, ein kleines, hartes, ringförmiges Brot mit Loch in der Mitte, verkauft. Des Weiteren werbenverkleidete Schauspieler, bekannte polnische Politiker oder Künstler mit Blechdosen um Spenden für die Erhaltung von Grabmäler auf diesem ältesten Friedhof Warschaus, um die sich keiner mehr kümmern kann. Und die Leute gaben gern und viel – Scheinwerferkollekte ...


Die wenigsten sind an Allerheiligen allein ...

Denkmal für den Warschauer Aufstand

Da in diesem Jahr Allerheiligen auf einen Samstag fiel und der Kindergarten am Samstag natürlich geschlossen hat, brachten wir schon am Donnerstag mit einigen Kindern 10 Kerzen zu einem Denkmal des Warschauer Aufstandes, welches in unserem Park aufgestellt ist. Wir erklärten den Kindern das Fest und jedes durfte eine Kerze abstellen. So konnten wir dieses besondere Gedenken geschickt mit einem kleinen Spaziergang durch den Park verknüpfen.


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