Donnerstag, 23. April 2015

Samstag bis Montag, 04. - 06.04.2015: Wielkanoc – Über das polnische Osterfest

Am Karsamstag ist in Deutschland eher ein ruhiger Tag. Die letzten Vorbereitungen laufen, der ein oder andere macht ein paar Ausflüge. In Polen hingegen gehen alle mit ihren Osterkörben, koszyczek genannt, in die Kirche. Traditionell geht das jüngste Kind der Familie zur Segnung der Speisen, aber heute gehen meistens alle zusammen. In meiner Gemeinde wurde alle 15min die Segnung der Osterkörbe angeboten und zum ersten Mal konnten wir unsere neue (aber natürlich noch immer im Bau befindliche) Kirche von innen besuchen. In einen typisch polnischen Korb gehören folgende Dinge: Brot, Eier (bemalt oder beklebt), Salz, Würste (kiełbasy), Meerrettich (chrzan), Babka (eine Art Rührkuchen) und ein Lamm (baranek) aus Teig, Zucker, Schokolade, Wachs oder Gips. Das Brot ist Symbol Christi als Brot des Lebens. Die Eier sind Zeichen von Auferstehung und neuem Leben. Das Salz (und manchmal auch Pfeffer) ist Zeichen von Echtheit und Unsterblichkeit und damit Symbol für das Bündnis zwischen den Menschen und Gott sowie für Gastfreundschaft und die Reinigung des Herzens. Würste stehen für Wohlstand. Der manchmal von Region zu Region unterschiedlich auch beigefügte Käse steht für die Freundschaft der Menschen zu ihren Nutztieren. Der gesegnete und zum Osterfrühstück verspeiste Meerrettich erinnert daran, dass die Bitterkeit der Folter und der Schmerzen Jesu überwunden und auch für uns überwindbar sind. Der in guten Familien selbst gebackene und nicht gekaufte Babka-Kuchen steht für Talent und Tugend und die Lamm-Figur schließlich für das Lamm Gottes, für das gebrachte Opfer, welches gleichzeitig Geschenk und Erlösung ist.

In unserer neuen Kirche

Unser Osterkorb

Schon am frühen Samstagabend, um 19:00 Uhr, stand die nächste Messe auf dem Programm und ich fragte mich, was hier wohl kommen möge, denn für eine Osternacht war es doch noch etwas zu früh. Und außerdem erwartete uns noch ein Gottesdienst am Sonntagmorgen um 6:00 Uhr. Kurz vor Beginn der Feier wurde die Monstranz ohne großes Aufhebens vom Seitenaltar weggeholt. Dann begann wir draußen vor der Kirche und versammelten uns um das Osterfeuer, in welcher jeder seine Palmzweige verbrennen lassen konnte. Dann kamen die Priester und Ministranten heraus gezogen und das Feuer wurde gesegnet und die Wundmale an der Osterkerze (Paschał) angebracht. Eigentlich war die ganze Aktion witzlos, denn es war noch ziemlich hell draußen und es kam gar nicht so richtig zur Geltung, dass das Licht der Osterkerze bei jedem „Lumen Christi“ weiter an die Gemeinde verteilt wurde, zumal im Inneren der Kirche schon das Licht brannte. Viele bringen hier in Polen übrigens ihre Taufkerzen mit in die Osternacht, da die Erneuerung des Taufversprechens ein bedeutender Bestandteil der Liturgie ist.
Wegen des schon brennenden Lichtes wurden beim Excultet und auch bei den Lesungen keine Kerzen gehalten.Wir hatten übrigens 5 der 7 möglichen Lesungen – über die Erschaffung der Welt, die Opferung Isaaks, den Auszug aus Ägypten (welche durch ein Hosanna zu Ende geführt wurde), eine Jesaja-Lesung und den Hezekiel-Text. Das Gloria wurde mit tosendem Glockengeläut begrüßt und in gleichem Augenblick wurden die Altarkerzen entzündet. Nach dem Tagesgebet folgten wie gewohnt die Epistellesung, Halleluja, Evangelium und die Allerheiligenlitanei. Schließlich wurde bei der Taufwasserweihe die Osterkerze 3 Mal eingetaucht mit der Bitte, der Heilige Geist möge in dieses Wasser hinabsteigen. Bei der Erneuerung des Taufversprechens mussten wir unsere Antworten oft 2-3 Mal wiederholen, weil sie dem zelebrierenden Priester nicht laut genug gewesen waren. Als der Priester dann herum ging, um uns mit dem neu geweihten Wasser zu segnen, zündeten alle wieder ihre Kerzen an. Mit Wasser gespart wurde auch nicht gerade und unser lieber Jugendpfarrer spritzte mit seinem Besen mehr herum, als je in Lobeda. Wir hatten übrigens in dieser Messe auch das größte je von mir gesehene Aufgebot an Priestern (4) und Ministranten (38). Am nächsten Tag wurde außerdem verkündet, dass etwa 800 Leute diese längste Messe des Kirchenjahres besucht hatten. Ich hätte gar nicht für möglich gehalten, dass so viele Leute in unsere kleine Kirche passen.
Nach dem Auszug sangen wir noch ein paar fröhlich-peppige Auferstehungslieder und die Gemeinde begann im Rhythmus mitzuklatschen. Die Atmosphäre war so fröhlich, dass die Priester und Ministranten noch mal raus kamen und sich 3 Mal [1 2 3] eine Zugabe forderten. Als wir ihnen die letzte Zugabe eigentlich verweigern wollten, fingen sie einfach von allein an zu singen – ja, das war mal eine Kirchenparty! ;)

Die Nacht war kurz, denn wir trafen uns bereits um 4:00 Uhr morgens zur Chorprobe. Ich hatte mich schon gefragt, was denn nun noch kommen sollte, wo alles, was wir am Sonntagmorgen in der Messe feiern, schon am Vortag passiert war. Doch auch der Hohe Sonntag (Wielka Niedziela) wartete noch mit einer Überraschung auf. Die erste war das gemeinsame Chorfrühstück mit dem von unserem Chorleiter selbst gebackenem, noch frischem Brot. Schließlich sangen wir uns ein bisschen ein und gingen um 6:00 zum Gottesdienst (Rezurekcja). Die Monstranz stand wie durch ein Wunder wieder an dem Seitenaltar, wo sie am Vortag eigentlich weggeholt worden war. Die Messfeier begann mit einer Prozession zu diesem Altar, die Monstranz wurde aufgenommen, unter den Himmel gestellt und schließlich verließen wir alle die Kirche und prozessierten Lieder singend ein wenig durch unseren Stadtteil, hauptsächlich die Straße hoch und wieder runter. Wenn die Monstranz einem auf dem Rückweg passierte, kniete man sich hin, bis sie vorbei gezogen war. Zurück in der Kirche wurde das Allerheiligste noch ausgesetzt, dann folgte ein ganz normaler Gottesdienst.

Für den restlichen Sonntag waren Ira und ich wieder bei unserer Arbeitskollegin Ania eingeladen, bei welcher ich schon mein Weihnachtsfest verbracht hatte. Traditionell gab es weißen Barszcz zum Frühstück sowie eine Vielzahl an Wurstaufschnitten sowie Salaten. Zu Beginn des Essens teilen sich alle Anwesenden ein Ei und wünschen sich alles Gute. Typische Kuchen sind Babka, Mazurek und Makowiec sowie Käsekuchen (Sernik).

Am Montag freuen sich besonders Kinder und Jugendliche auf den alten Brauch śmigus-dyngus oder auch lany poniedziałek ("gegossener Montag"). Man bespritzt sich gegenseitig mit Wasser, bevorzugt natürlich Freunde und Bekannte. Früher sollte das Übergießen von Frauen und jungen Mädchen Glück, einen guten Mann und eine baldige heirat wünschen. Ob der auch in Tschechien, der Slowakei, der Ukraine und Ungarn bekannte Brauch auf ein heidnisches Ritual zurückgeht oder auf die Taufe des polnischen Herrschers Mieszko I. im 10. Jahrhundert ist nicht eindeutig belegt.

Sonntag bis Freitag, 29.03. - 03.04.2015: Die Hohe Woche

Meine Schilderungen des polnischen Osterfestes beginnen eine Woche vorher am Palmsonntag. Während wir in Deutschland gerne mit bunten Bändern und Eiern verzierte Büschel aus Buchsbaum mit in die Kirche nehmen, werden in Polen Palmzweige aus zum Teil eingefärbtem Stroh gebastelt, welche auch nur selten zusätzlich mit Buchsbaum verziert werden. Wer keinen von zu Hause mitgebracht hatte, konnte zumindest in meiner Gemeinde für 5  welche vor der Kirche kaufen. Auch der Priester zog mit einem (sehr langen) Palmwedel ein, welcher während der Messe vor dem Tabernakel platziert wurde. Im Unterschied zu deutschen (Diaspora-)Gemeinden wurde auch während der gesamten Passion gestanden und nach dem Tod Jesu gekniet. Im Deutschland setzten wir uns meistens nach den ersten paar Sätzen hin.

Die Woche nach Palmsonntag verbrachten wir fast täglich mit Chorproben und am Gründonnerstag (Wielki Czwartek – Hoher Donnerstag) war es dann endlich soweit und wir präsentierten ein Repertoire an schönen Chorstücken. Auch an jenem Festtag konnte ich wieder eine Reihe von Unterschieden erkenne, was schon bei der Anzahl der auflaufenden Ministranten anfing. Schon heute konnte ich von meinem erhöhten Emporenplatz 30 Minis zählen, obwohl die wichtigen Aufgaben nur von älteren Ministranten oder alten Männern übernommen wurden. Ein Mann las (die ganze Festwoche über) vor jeder wichtigen Handlung aus einem Heft vor, was nun folgen würde und welchen Ursprung und welche Bedeutung das hätte. Ein zweiter übernahm das Dirigat der Ministranten und der ganzen Gemeinde, bedeutete ihr also zum Beispiel, wann man aufzustehen und sich hinzuknien habe. Zur Fußwaschung waren 12 gestandene, ältere Männer eingeladen worden, während in meiner Heimatgemeinde in Jena auf Vielfalt geachtet wird und Frauen, Männer und Kinder, Erstkommunionkinder, Firmlinge, Ministranten und Mitglieder des Pfarrgemeinderates vertreten sind. Die zum Gloria das letzte mal läutenden Glocken wurden zum Hinknien und Aufstehen durch eine Ratsche und im Hochgebet durch Klappern ersetzt. Die Kommunion wurde in beiderlei Gestalten gereicht. Dazu gab es besondere Hostienschalen mit Vertiefung in der Mitte, in welcher sich der Wein befand. Nach der Eucharistie wurden die übrigen Hostien in einer Prozession durch die ganze Kirche zu einem sehr schön geschmückten und beleuchteten Seitentabernakel gebracht. Während der Prozession knieten die Leute laolawellenartig dort nieder, wo das Allerheiligste vorbei kam, um für einen kurzen Moment wieder aufzustehen und dann zum gemeinsamen Gebet wieder zu Boden zu sinken. Nach der Messe nutzen viele die Gelegenheit zum persönlichen Gebet.

Auch am Hohen Freitag (Wielki Piątek, Karfreitag) führte uns wieder ein Vorleser durch die Handlungen des Tages. So sagte er z.B. an, dass nun die Großen Fürbitten kämen, immer zuerst eine gesungene Einladung mit Nennung des Anliegens, dann eine Zeit des stillen Gebets und schließlich die Zusammenfassung des Gebetsanliegens in der Oration. Nach der ersten Fürbitte begann die Stillezeit aber ohne das gewohnte „Beuget die Knie!“, überdies war sie sehr kurz: Kaum drei Sekunden nach Ende des Gesanges kamen die Mikrofonministranten schon wieder hereingelaufen und die Oration begann.
Als das Kreuz von hinten in einer Prozession nach vorn getragen wurde, knieten wir uns nach jedem Mal Singen „Seht das Holz des Kreuzes ...“ für einen vom Dirigenten angedeuteten Moment lang hin. Auch die Kreuzverehrung sollte sich spannend gestalten: Da zu viele Leute in er Kirche waren, wurde bald nach Beginn der Verehrung ein zweites Kreuz herbeigeschafft. Man machte eine Kniebeuge und küsste dann das Kreuz. Auf jeder Seite stand ein Mini, der die geküsste Stelle danach der Hygiene halber mit einem Tuch abwischte. Wir Chorsänger waren die ersten bei der Kreuzverehrung, da wir danach singen sollten. Und gerade bevor ich dran war wurde angesagt, dass man keine Kniebeuge mehr machen solle, da das zu lange dauere.
Zur Kommunion wurde das das Allerheiligste aus dem Seitentabernakel geholt. Hinterher wurde der Leib Christi in der Monstranz ausgesetzt und schließlich mit der Monstranz zu einem zweiten Seitenaltar prozessiert. Die Monstranz wurde mit einer seidenen Haube überdeckt und die ganze Nacht lang gestalteten verschiedene Gruppen die Anbetung.

Mittwoch, 1. April 2015

Dienstag, 31.03.2015: Wie ein EVS eine gute Hausfrau aus einem machen kann ;)

Ja, wer hätte das gedacht. Noch vor einem Jahr hätte ich jedem einen Vogel gezeigt, der mir gesagt hätte, ich solle etwas kochen, selbst wenn es nur Nudeln gewesen wären. Im Sommer nach dem Ende meiner glorreichen Schulzeit fing ich dann allerdings schon an mit meiner Mutter und meiner Oma das ein oder andere auszuprobieren (vorrangig Pflaumenknödel und verschiedene Spielereien streng nach Rezept). Hier in Polen, in diesem Land ohne Mutti, die für einen kocht und bäckt, entwickle ich mich aber zur Seele unserer WG. Nach meinem ersten großen Backerlebnis, einem Kalten Hund zu meinem Geburtstag, folgten ein echter Weihnachtsstollen, Plätzchen, "normale" Kuchen und die so manche Suppe (ja, ich als einstiger Suppenkasper finde Suppen so schnell und einfach zu kochen, während mir viele Freiwillige sagen, dass sie sich nicht an Suppen trauen, weil sie so viel Zeit in Anspruch nähmen).
Und heute hab ich mich wohl selbst übertroffen. Aber mal ganz von vorne: Am Samstag habe ich vor dem Schlafengehen zufällig meine bunten Bastelquadrate erspäht und hatte spontan Lust, etwas für Ostern zu gestalten. Gesagt, getan. Ich habe im Internet nach schönen Dingen gegoogelt, das einzige aber, was mir zusagte, war ein plastisches Ei, dessen Beschreibung ich einfach nicht öffnen konnte. Völlig besessen davon, ein Ei basteln zu wollen, änderte ich meine Suchanfrage und fand ... ein anderes Ei =) Und dessen Beischreibugsgvideo sagte mir sofort zu, meine Euphorie wurde nur davon gebremst, dass ich 250 Teile brauchte und keine Quadrate. Ich beschloss also bis Montag zu warten und buntes Papier aus dem Kindergarten oder der Foundation zu borgen. Am Sonntag konnte ich mich aber einfach nicht mehr halten und zerschnitt unseren Kalender (ähm, der war natürlich vom letzten Jahr ...). Und bastelte. Und bastelte. Und bastelte den ganzen Tag, so etwa 7h, nur von Essenspausen unterbrochen (reine Arbeitszeit etwa 4-5h ... nun, das meine ich ausgerechnet zu haben). Danach ging ich zum Chor (auch etwa 4h). Und dann ging ich schlafen.
Nun aber zum Dienstag, dem Tag der Tage: Am Montag schenkte ich mein Sonntagsei meiner Sprachschullehrerin zum Abschluss, weil ich meinen Sprachkurs nicht weiterführen werde, und begann hauptsächlich in der Metro mit dem Basteln eines neuen, diesmal farbigen Prachtstückes, welches ich an jenem Dienstag fertigstellte. Dann ging mir das Papier aus und ich beschloss, neues kaufen zu gehen (ich war guter Hoffnung, dass Tesco buntes Kopierpapier hatte, wurde aber bitter enttäuscht). Vorher aber setzte ich eine doppelte Portion Hefeteig an, ich hatte nämlich noch 80g von 100g Hefe übrig und die hält sich ja auch nicht ewig.


Nach meinem (hoffentlich etwa einstündigen) Einkauf – der Teig sollte nämlich eine Stunde gehen – flocht ich aus der Hälfte des guten Stückes einen sechssträngigen Zopf. Und wieder ab damit unter die Heizung. Aus dem zweiten Teil flocht und formte ich ein Osterlamm und einen Osterhasen (auch wenn Ira meinte, es sei eine Maus), welche ich sofort buk. Zeit für ein bisschen Abwasch und mein lang ersehntes Kochvergnügen: Pflaumenknödel. Ich hatte die ersten Pflaumen in unserem Großmarkt erspäht und mich für ein nostalgisches Abendessen entschieden.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich buk an diesem Dienstag einen (wirklich fabelhaften) Osterzopf, zwei Ostertiere, kochte Pflaumenknödel und bastelte an meinem Ei herum ... wenn das mal nicht eine gute Hausfrau aus mir macht ... ;)

Mein OsterHASE vor dem Backen

Mein baranek nach dem Backen

Mein allerliebster, sechssträngiger Osterzopf =)

Mittwoch bis Montag, 18. - 23.03.2015: Von Pol zu Pol oder "Polskibus"

Dieses verlängerte Wochenende verbrachten Ira und ich im Ausland ... im deutschsprachigen Ausland. Unsere Reise nach Wien und Bratislawa stand an. Die Nacht in Polskibus gestaltete sich als schrecklich, auch wenn wir ab Tschenstochau beide einen Doppel Sitz für uns allein hatten und das sogar in der ersten Reihe. Die Aussicht konnten wir in der Nacht ja aber doch nicht genießen und die breite Fensterfront ließ uns sehr frieren  bereits jetzt bereute ich, keine zweite Jacke mitgenommen zu haben, denn es war extrem kalt und die Heizung schien nicht zu laufen. Trotzdem kuschelte ich mich irgendwie auf den Sitz und hoffte aus Müdigkeit ein ums andere Mal, dass wir noch nicht angekommen sein mögen. Anstatt der geplanten 6.45 Uhr wurden wir allerdings bereits eine halbe Stunde eher aus dem Bus in die kalte Stadt Wien geschmissen. Und so suchten wir zunächst das Bahnhofsgebäude auf, ums uns aufzuwärmen und zu frühstücken und auch, um ein bisschen Zeit tot zu schlagen, denn wir gingen noch immer davon aus, man wurde uns gegen 8 vom Westbahnhof abholen.

Frühstück im Hauptbahnhof

Die von Google maps abfotografierte Karte brachte uns zu Fuß an uns Ziel, vorbei an einem dm, in dem ich mich mit Taschentüchern und Ira mit einer Zahnbürste ausstatteten. Auch den Erlebnisbesuch bei Billa ließen wir uns nicht entgehen, auch wenn wir nichts fanden, was schon abgelaufen war und damit für uns gratis gewesen wäre. Am Bahnhof selbst suchten wir dann erst mal Internet, um unserem Host Hussain Bescheid zu geben, dass wir angekommen waren und wo wir uns treffen würden. Nun ja, Pustekuchen. Er war nicht da und bat um ein Treffen um 12 am selben Ort. Das hatte er ja auch mal eher sagen können, als wir noch in der Innenstadt waren oder so. Wir kauften also schlussendlich unser 72h-Ticket und gondelten in das Herz Wiens zurück. Eine erste kleine Tour führte uns am Dom vorbei zur Hofburg, wo wir picknickten, und schließlich zu zwei Museen, Zigeunern und einem Elefanten.

Irgendwo bei der Albertina ;)



Zurück Westbahnhof empfingen wir die Nachricht, eine Station weiter zu fahren, wo wir schlussendlich unseren Gastgeber trafen. Schnell warfen wir unser Gepäck in sein Auto und fuhren gemeinsam in die Stadt, erkundeten die freien Teile des Stefansdomes (denn für manche muss man Eintritt bezahlen), ließen uns ein paar Tipps geben, wo man billig essen kann und wurden dafür mit einer nicht enden wollenden Stadtführung an Orte, die wir schon vom Morgen her kannten, belohnt. 
Wir irrten noch ein wenig durch die alten Gassen, bis wir uns auf den Heimweg machten, denn wir hatten vereinbart uns um 3 oder 15.15 Uhr oder vielleicht auch halb 4 wieder zu treffen. Wir waren etwas zu zeitig und statteten dem nahen Spielplatz einen Besuch ab. Auffallend war, gerade nach dem ausländerfreien Polen, die hohe Anzahl an … ja, Ausländern. Auf dem ganzen Spielplatz sah ich ein österreichisches Kind, der Rest war muslimisch, einige waren jüdisch (erkennbar an ihrer Locke), die Eltern und Großeltern hockten auf Bänken und Sandkastenrändern zusammen und schnatterten.
Wir waren so früh von unserer Erkundungstour zurückgerufen worden, weil unser Host auf Arbeit musste und er uns die Schlüssel seiner Wohnung übergeben wollte. Er hatte nämlich nur einen Satz davon. Wir nutzten die Gelegenheit für ein kleines Picknick und dann ob der uns überkommenden Müdigkeit für ein Nachmittagsschläfchen. Wir hatten uns nämlich vorgenommen, einen Gottesdienst im Stefansdom zu besuchen und bis dahin hatten wir noch ein wenig Zeit. Pünktlich um 7 standen wir dann auf der Matte, erlebten noch den Segen der vorhergehenden Messe mit Weihrauch und Ministranten, bevor unsere eher bescheiden ausgeschmückte Feier begann. Ich genoss aber jeden Zug deutscher Messfeier, schmetterte jedes Lied ausgelassen mit (was mir das Gefühl gab, als einziger zu singen) und ergötzte mich an der Atmosphäre des Domes. Zur Fastenzeit lief eine Aktion: Man konnte Zettel mit Gebeten oder Bitten schreiben und in Würfel hängen, zwischen deren Kanten Bänder gespannt waren. Diese Gebetwürfel wurden dann an verschiedenen Ecken der Kirche aufgestellt und angeleuchtet. Auch Ira wurde Teil dieses großen Ganzen.




Schließlich suchten wir die Ringstraße auf, um das Parlamentsgebäude, das Rathaus und die Uni bei Nacht schön beleuchtet bewundern zu können. Es lohnte sich – mehr schafften wir aber nicht mehr. Nach einer abschließenden Dusche und Plänen für den nächsten Tag fielen wir in unruhige Träume.
Ich musste des Nachts noch Hussain die Tür öffnen. Welch Wunder, dass ich kurz zuvor vom Klingeln der Tür geträumt hatte. Ich erklärte ihm aber gleich, dass wir beabsichtigten, das Haus schon frühzeitig zu verlassen, und er war einverstanden, schlug ein Wiedersehen am Nachmittag vor.
Gegen 9 Uhr brachen wir gen Hundertwasserhaus auf. Obwohl ich kein Fan von Hundertwasser bin und schon viele seiner Arbeiten hatte sehen müssen, besuchte ich natürlich Ira zuliebe diesen Ort, denn sie war von einem Bild seiner Architektur ganz hin und weg gewesen. Als wir ankamen, war es 10 und ich hörte eine Frau auf der Straße sagen, dass es noch eine halbe Stunde bis zur Sonnenfinsternis sei. Wir spazierten also um die künstlerisch wertvollen Säulen herum, an der gestalteten Fassade entlang, schossen ein paar Bilder in der britischen Telefonzelle und machten uns wieder zu Fuß auf den Weg in die Innenstadt. Da die Sonne sehr hell strahlte, war es unmöglich, ohne Sonnenschutz hineinzuschauen. Vor einer Kirche fanden wir aber ein paar Passanten, die das Schauspiel von Sonne und Mond gebannt verfolgten und die uns auch mal einen Blick durch ihre gedunkelten Glasscheiben werfen ließen.
Eigentlich waren wir auf der Suche nach einem Ostermarkt in der Dominikanerbastei, aber nachdem wir besagte Straße hoch und runtergelaufen waren und uns auch die Passanten nichts Genaueres verraten konnten, gaben wir auf und schlugen den Weg zur Ankeruhr ein. Sie zeigt jede Stunde eine andere Figur an und um 12 findet eine Figurenparade statt. Alle Figuren präsentieren sich dann ein Mal, während eine für deren Zeit typische Musik spielt. Als wir ankamen präsentierten sich noch Kaiserin Maria Theresia und ihr Gemahl um nach dem Schauspiel von Meister Joseph Haydn abgelöst zu werden.


Am Hundertwasserhaus

Die Ankeruhr halb 12: Kaiserin Maria Theresia und ihr Gemahl

Anschließend begaben wir uns auf den Weg zum Prater, wo wir eine typisch Wienerische Bosna aßen und ein wenig herumschlenderten. Es war nicht besonders voll, immerhin war Wochentag. Einige Fahrgeschäfte hatten gar nicht geöffnet, hier und da wurden Restaurierungsarbeiten vorgenommen. Wir ließen uns eine Weile von den sich bewegenden Bildern eines Geisterhauses unterhalten, bevor wir beschlossen, nicht damit zu fahren, sondern unser Geld lieber auf einem anderen Ostermarkt für einen warmen Apfelstrudel auszugeben.
Und schon war es Zeit sich mit Hussain zu treffen. Wir sprangen in sein Auto und fuhren ein bisschen durch den Wiener Wald hinaus in die schöne Natur an einen Fluss, wo wir den Sonnenuntergang genießen konnten. Anschließend stieg in unserem Haus eine kleine Privatparty, aber das ist eine andere Geschichte …


Der Prater und sein berühmtes Riesenrad

Ostermarkt ... fast wie zu Weihnachten


party hard ...

Am nächsten Morgen brachte uns Hussaine noch zum nahen Schloss Schönbrunn, bevor er zur Arbeit aufbrach. Uns erwartete dort nicht nur strahlendes Wetter, sondern auch Menschenmassen, die sich über den Vorplatz, den Park und den, ihr erratet es, Ostermarkt ergossen. Der Markt hier hatte erst am Samstag geöffnet und war relativ groß. Es gab sehr viele Essstände, aber noch mehr Buden mit Osterschmuck, oft bemalten oder anderweitig verzierten Eiern. Für Kinder gab es sogar eine Eierwerkstatt. Auch wir flanierten wie zwei Königinnen zwischen den tristen, blattlosen, perfekt beschnittenen Buschreihen, legten eine Pause nahe einem kleinen Springbrunnen ein und versuchten uns vorzustellen, wie es wohl für die Menschen von vor 100 Jahren gewesen sein musste, hier zu leben.
Die letzten Stunden vor unserer Abfahrt nach Bratislava verbrachten wir  auf einer Parkbank im Schlossgarten von Belvedere. Dann liefen wir zurück zum Hauptbahnhof, suchten den richtigen Bus und stiegen erschöpft ein.


Schloss Schönbrunn

Im Schlossgarten findet man lauter putzig beschnittene Bäume


Schloss Belvedere

In Bratislava war es nicht ganz so schwierig, unseren Host zu finden. Nachdem wir uns bei subway gestärkt hatten, nahmen wir einen Trolli zum Hauptbahnhof und liefen ein paar Treppen hinab zur richtigen Wohnung. Durch Zufall kamen wir in den Innenhof des sehr alten Gebäudes, dort gab es aber keine Klingelschilder und so warteten wir einfach ab, wann unser mexikanische Gastgeber Eduardo von seinem Fußballtraining kommen würden. – Wir warteten etwa eine halbe Stunde, denn wir waren recht früh und er etwas spät, aber das Zusammentreffen war sofort sehr offen und gastlich, er lud uns ein, uns wie zu Hause zu fühlen, bot uns Guacamole und Fladenbrot zum Abendessen an und wir redeten noch eine ganze Weile, bevor Ira und ich versuchten, es uns auf der wirklich sehr schmalen Matratze im 2x2m-Raum gemütlich zu machen.
Am nächsten Morgen lud uns unser Gastgeber zu einer Erkundungstour durch die Stadt auf und mit so kompetenter Führung (er hat immerhin einen Stadtführer über Bratislava herausgegeben) gestaltete sich der Trip als höchst interessant und abwechslungsreich, auch wenn sich herausstellen sollte, dass stimmte, was uns alle gesagt hatten: Ein halber Tag reicht, um in dieser kleinen Stadt alles gesehen zu haben. Wir passierten zum Beispiel den Soldaten, den Napoleon damals in Bratislava vergessen hatte und dort noch drei Tage lang auf dem Markt von den Einheimischen versorgt wurde. Oder den Mann, der im Gulli stand und den vorbeigehenden Frauen unter den Rock schaute. Da sein Denkmal schon mehrmals von LKWs ramponiert wurde, die ihn einfach nicht gesehen hatten, macht jetzt sogar ein Schild auf den "man at work" aufmerksam.
Den Nachmittag verbrachten wir zu Hause, zumal ich anfing zu kränkeln. Und die Rückfahrt gab mir dann wahrhaftig den Rest: Im Gegensatz zur Hinfahrt war diesmal die Heizung großzügig angelassen worden und mit jeder Station, jeder einsteigenden Person, jeder Stunde wurde es wärmer, stickiger, heißer in dem verdammten Bus und der Busfahrer wollte uns dann tatsächlich noch etwas Gutes tun und holte noch ein bisschen mehr aus den Heizkörpern heraus, dass meine nackten Füßen auf dem Heizkörper zu brennen begannen. Ich ließ mich also für den Rest der Woche krank schreiben. Trotzdem eine schöne Reise! =)


Mein "Rock" war reichlich knapp ...