Sonntag, 23. November 2014

Montag bis Freitag, 17. - 21.11.2014: Eine ganz normale Arbeitswoche

Nein, ganz normal war diese Woche keineswegs. Das ging schon los, als ich am Montag in den Kindergarten kam und Lena, eines meiner Kinder, abholte – dafür muss man wissen, dass wir eine Rollstuhleinfahrt haben, die in die untere Etage, quasi in den Keller führt, wo die Kinder ihre Garderobe haben. Von dort holen wir die Kinder immer ab, um sie in die Gruppen zu bringen, nachdem ihre Eltern sie umgezogen haben. Und war gerade gekommen und hatte meine Schuhe gewechselt und konnte Lena so einfach mit nach oben nehmen, da trug mir Lenas Mutti auf, dass wir nach ihrer Brille schauen sollten, weil sie sie zu Hause nicht gefunden hatten. Okay, das wäre ja an sich kein Problem gewesen. Hätte es nicht am Freitag davor so eine Begebenheit gegeben: Wir waren mit all unseren Kindern in die Rehabilitation gegangen, weil wir mit 8 Kindern nur zu zweit gewesen waren. Lena hatte im Bällebad gesessen und auf einmal fing Aga, eine Erzieherin in meiner Gruppe, an, hektisch zwischen den Bällen nach Lenas Brille zu suchen. Ich sagte ihr jedoch, die Brille sei oben im Raum, immerhin war ich grade vom Teekochen zurückgekehrt und hatte die teuren Spezialgläser auf dem Fensterbrett liegen sehen.
Als Lenas Mutter nun aber nach der Brille suchte, lief es mir heiß den Rücken herunter: Hatte ich mich vielleicht geirrt? Hatte ich die Brille vielleicht nur vorher beim Fenster liegen sehen und mir deshalb eingebildet, sie sei noch immer dort? Eine wilde Suche begann und mir kam eines der Kindergedichte in den Sinn, die ich ständig vorlese. Der eigentliche Titel lautet Gdzie są moje okulary, man kann ihn aber auch ganz gut zu Gdzie są Leny okulary umdichten – irgendwann werde ich dieses Gedicht herausbringen, aber im Moment hab ich zu viel um die Ohren.
Am Dienstag nahm ich anstatt meines Polnischkrams Bastelzeug mit zur Arbeit, um ein bisschen produktiv auf die Advents- und Weihnachtszeit hinzuarbeiten. Aber dann nutzte ich doch die Anwesenheit von Therapeutin Ingrid, um an meiner polnischen Knochenmarkspenderegistrierung zu arbeiten. Pesel? Hab ich natürlich nicht. Das ist eine Nummer, die auf dem polnischen Ausweisen steht und die sich aus Geburtsdatum und irgendwelchen anderen Zahlen zusammensetzt. Wir versuchten also, die Stiftung anzurufen, um uns zu erkundigen, was ich da jetzt angeben solle, aber es hob niemand ab. Ich habe jetzt eine E-Mail geschrieben, mal schauen, ob ich eine Antwort erhalte.
Der Mittwoch verlief ausnahmsweise wieder etwas unspektakulärer, mal davon abgesehen, dass wir Studenten hatten und ich zwischen Kinderfüttern und Stundenbeginn 8 Mützen designen und ausschneiden musste, dann kamen mal eben noch 8 Jacken, 8 Paar Schuhe und Schals hinzu. Doch die Studenten waren besser als die letzten, sie quatschten nicht die ganze Zeit und halfen und sogar beim Basteln mit den Kindern, als jedes dann ein aufgemaltes Mädchen mit all den ausgeschnittenen Papierklamotten für die kalte Jahreszeit anzog. Ja, wir haben immer mal Studenten in unserem Unterricht. Sie studieren Sozialarbeit mit behinderten Kindern oder etwas ähnliches, auf jeden Fall sollen sie sich bei uns ihr zukünftiges Arbeitsfeld anschauen. Sie gehen auch zur Rehabilitation der Kinder, was vermutlich spannender ist als unsere Stunde, deren Erfolg immer von den anwesenden Kindern und deren Laune abhängt.
Besonders anstrengend in dieser seltsamen Zeit, in der alle Erzieher, aber ausnahmsweise mal keine Kinder krank sind, sodass wir immer sehr viel zu tun haben, war der Donnerstag, an dem ich Opfer eines heimtückischen Rote-Bete-Angriffs wurde. Es gab Kartoffelbrei und Kotlet und wunderbar weiches Rote-Bete-Gemüse zum Mittag. Wenn ich Lena füttere sitze ich immer zwischen ihr und Natalia, unserem intelligentesten Mädchen. Natalia kann allein essen, aber weil sie ihren Mund nicht so weit öffnen kann, schieben ihre oberen Zähne immer das halbe Essen vom Löffel wieder runter und es landet dann auf ihrem Lätzchen, auf dem Tisch oder auf dem Boden ... wenn es ganz blöd kommt. Weil so viel daneben fällt, ist sie relativ schnell mit dem Essen fertig. Nein, man kann nicht sagen, dass sie weniger isst ... sie kaut auch einfach schnell, es fällt nicht andauernd wieder etwas aus ihrem Mund heraus, sodass sie effektiver essen kann. Sobald sie fertig ist, schiebt sie ihren Teller weg ... leider immer zu Lena, die nach allem greift, was in ihre Nähe kommt. Na toll, Natalias Hände sind eh dreckig, aber Lenas ... och menno, das muss nicht sein. Also schiebe ich den Teller jedes mal wieder weg und sage ihr, dass sie warten soll, bis es etwas zu trinken gibt, weil die anderen Kinder nicht so schnell essen. Sie schob also ihren Stuhl ein wenig vom Tisch, weil sie eine Serviette für ihre Hände greifen wollte, welche aber schon ganz schön dreckig und nicht mehr zum Säubern zu gebrauchen war und so griff sie nach meinem Arm. Ich zog ihn weg, erklärte ihr, dass mein Pulli doch keine Serviette sei, und fütterte weiter ... als ich schon wieder eine Hand an einem Pulli spürte ... die lauter Rote Bete an ihm abwischte ... Grrr, das regte mich schon fast ein bisschen auf, ich wurde als streng und schimpfte mit Natalia, legte ihre Hände zurück auf den Tisch und sagte ihr, sie solle warten. Ich säuberte ihre Hände ein bisschen, meinen Ärmel auch und fütterte weiter. An diesem Donnerstag hatte Natalia aber anscheinend schlechte Laune und schwups war schon wieder eine Hand, diesmal an meiner Hose, und schmierte Rote Bete daran ab. Langsam nahm ich das persönlich – musste aber doch auch ein bisschen lachen, als mich Aga von der anderen Seite des Tisches angrinste und schließlich mit ein bisschen mehr Autorität und Polnischkenntnis durchsetzte, dass ich kein Handtuch sei.
Ein erfreuliches Ereignis gibt es aber doch zu berichten, denn an diesem Donnerstag begann ich meine eigenen, kleine Therapie mit Piotr. Piotr hat cerebral palsy, seine Gelenke sind sehr steif und es fällt ihm schwer seinen Kopf zu halten. Er sitzt entweder in einem gut gepolsterten Kinderwagen oder liegt auf einem Kissen oder in einer Art kleinem Liegestuhl. Er mag es, wenn man ihm Bücher vorliest und versteht anscheinend auch eine ganze Menge. Besonders fröhlich ist er, wenn man ausländische Sprachen wie Englisch oder Deutsch spricht, ich meine mich zu erinnern, dass seine Großmutter aus Deutschland kommt. Ich saß gerade neben ihm und weil kein anderes Kind mit mir spielen wollte (ja, manche spielen eben einfach nicht) nahm ich einen kleinen Ball, der irgendwo auf dem Teppich herumkullerte, fuhr damit über seinen Ball und wiederholte immer wieder Round and round it goes and where it stops nobody knows. Er liebte es und am Ende lachte er immer. Und weil er es auch beim 20ten Mal noch mochte, überlegte ich mir etwas Neues und legte ihm den Ball in seine Hand. Nun muss man wissen, dass seine Fingergelenke steif sind und die Hand normalerweise zu einer lockeren Faust gekrümmt ist. Ich sagte ihm also (alles auf Englisch), er solle seine Hand öffnen, dann legte ich den Ball hinein, pulte seinen Daumen hervor und legte ihn so um die Kugel, dass sie nicht herausfiel. Dann wartete ich, bis Piotrs Muskelspannung nachlies und der Ball aus der Hand fiel. Diese Übung machte ich mit beiden Händen und wiederholte sie mehrmals und als es ihn immer noch nicht langweilte, beschloss ich zu überprüfen, wie viel Piotr versteht. Also nahm ich ein sehr großes, einfarbiges Spielzeug und zeigte es ihm. Ich erklärte ihm, er solle seine Hand nur öffnen, wenn der Ball dieselbe Farbe habe wie das Spielzeug. Dann hielt ich ihm immer das Spielzeug und zuerst einen falschen Ball vor die Augen und dann den Ball vor die Hand und forderte ihn auf, den Ball zu fassen, wenn er dieselbe Farbe hatte. Und zu meiner Freude und Überraschung lachte Piotr zwar immer vor Freude, öffnete seine Hand aber nur, wenn der Ball die gleiche Farbe hatte wie das Spielzeug. Ich war sehr stolz auf ihn!
Am Freitag wiederholte ich die Übung, diesmal mit 4 Bällen in allen Grundfarben (am Vortag hatte ich kein grün). Auch diesmal lag er immer richtig, nur einmal nicht: Als ich ihm einen grünen Gegenstand zeigte und den roten Ball daneben hielt. Da öffnete er immer wieder seine Hand, was mich zu der Vermutung kommen ließ, er könnte unter Umständen eine Rot-Grün-Sehschwäche haben. Nun, ich sage mal, er ist so stark gehindert, dass es vermutlich egal ist, ob er die Sehschwäche hat oder nicht. Aber ich werde es im Auge behalten und durch verschiedene andere Spiele zu überprüfen versuchen. 

Samstag, 22. November 2014

Meine Arbeit, meine Kinder: Stanisław und das Lowe-Syndrom

Es wird Zeit, dass ich mein erstes Kind vorstelle. Wir haben in unserem Kindergarten gleich zwei Buben mit einer extrem seltenen Behinderung, dem Lowe-Syndrom. Die Wahrscheinlichkeit, mit dieser X-chromosomal vererbten Multisystemerkrankung geboren zu werden, liegt bei etwa 0,00002%, d.h. bei etwa jeder 50.000te kommt es zum Ausbruch. Durch die X-chromosomale Vererbung sind (fast) ausschließlich Jungen betroffen und zwei von vier Lowe-Syndrom-Jungen in Polen verbringen ihren Tag mit uns, einer in meiner Gruppe, Stanisław oder kurz einfach nur Staś.
Staś ist ein süßer Junge mit kurzen, blonden Haaren, einem kleinen Froschbäuchlein (was wohl auch an seiner Vorliebe liegt, nur die Wurst vom Brot zu essen und das Brot wieder aus seinem Mund zu pulen) und einer grünen Brille, an der eine Seite zugehangen ist. Die ersten drei Tage meiner Arbeit hatten wir noch eine Schildkröte in unserem Raum und er lag den ganzen Tag nur vor dem Aquarium und schaute sich das Tierlein an. Auch den Fisch-Aquarien in der blauen und gelben Gruppe kann er viel abgewinnen – während andere Kinder sich über das ungewohnte Spielzeug freuen, wenn sie in einen neuen Raum kommen, stellt sich Staś prompt vor den hell erleuchteten Glaskasten und schaut gespannt hinein und man muss ihn beim Zurückgehen regelrecht von der Scheibe wegzerren. Das hängt natürlich mit dem Syndrom zusammen. Von der Erkrankung sind z.B. die Augen betroffen. Alle Kinder werden bereits mit Katarakt (grauem Star) geboren, der sich bereits in utero (in der Gebärmutter) entwickelt hat. Etwa 50% der Kinder haben auch ein Glaukom (grünen Star), weshalb sie schlecht sehen können und teure Spezialbrillen tragen müssen. Staś sieht außerdem auf den linken Auge schlechter, weshalb er das Augenlid nicht richtig öffnet. Deshalb ist sein rechtes Auge abgedeckt, damit er gezwungen ist, das linke zu benutzen und die Muskeln trainiert. Die fortschreitende Blindheit hat zur Folge, dass die Kinder bei normalem Licht kaum sehen. Je stärker die Lichteinstrahlung aber ist, desto eher können sie etwas erkennen. Deshalb liebt Staś es, vor den hell erleuchteten Aquarien zu stehen, weil das für ihn wie Kino ist, weil er endlich mal etwas sehen kann, weil das für ihn ein sehr großes WOW-Erlebnis ist.

Als unsere Schildkröte ausziehen musste, weil sie zu groß geworden war und einen ausgedehnteren Lebensraum brauchte, machte Staś sich eine Spielzeugschildkröte zu eigen, die Musik spielt, wenn man auf verschiedene Tasten drückt. Diese Musik ist sehr laut und spielt ununterbrochen, sodass ich schon nach einem Tag jede Melodie mitsingen konnte. Wenn wir gerade Unterricht haben und die Schildkröte am Kopf ausgedreht wird, sucht er sich eben ein neues Musikspielzeug davon haben wir wahrlich genug und dann tönt statt „Oh, du lieber Augustin“ eben „Old MacDonald has a farm“ durch den Raum.
Trotz seiner Liebe zu Musikspielzeugen mag er den alltäglichen Musikunterricht nicht. In dieser Musikstunde kommen die Kinder aus 3 Gruppen zusammen und wir hören uns zusammen polnische Kinderlieder an, jeder, der kann, singt auch mit, und wir animieren die Kinder zum Tanzen oder zu zum Lied passenden Bewegungen. Durch die Bewegungen fällt es den Kindern leichter, sich an die Lieder zu erinnern und außerdem verstehen sie so besser, worum es geht. Staś aber fängt an zu speckern, wenn der Raum immer voller wird und je lauter wir singen und je heftiger wir tanzen, desto eher läuft er zur Tür und versucht abzuhauen oder er setzt sich in die Ecke, hält sich die Ohren zu und weint sogar. Der andere Junge mit Lowe-Syndrom kommt gar nicht erst, weil auch ihm der Musikunterricht nicht gefällt. Warum das so ist, habe ich noch nicht herausgefunden. Vielleicht fühlen sie sich von der Menschenmenge überfordert, eigentlich gelten Lowe-Syndrom-Jungen aber als sehr kontaktfreudig.
Ja, unser Staś ist nicht sehr kontaktfreudig, eher ein eigenbrötlerischer Einzelgänger. Durch seine geistige Behinderung kann er nicht sprechen, obwohl er manchmal wortähnliche Laute von sich gibt, sodass ich ihm durchaus Chancen ausgemalt hätte, das Sprechen noch zu lernen. Seine Logopädin Paulina meint aber, dass er nicht sprechen lernen wird. Dafür kann er mit seinen 7 Jahren einfach zu wenige Laute erzeugen, die in der polnischen Sprache vorkommen und wenn er Laute von sich gibt, sind sie nur selten realen Wörtern ähnlich – seine „Sprache“ ist nicht funktional. Er weist aber auch Verhaltensstörungen auf, z.B. legt er sich, wenn er sich freut, auf den Rücken, gakelt mit den Armen in der Luft herum und gibt lachend-glucksende Geräusche von sich. Wenn man aber etwas tut, was ihm nicht gefällt (wenn man ihn also nicht aus dem Raum gehen lässt, ihm seine Schildkröte nicht anmacht oder sich sogar anmaßt, ihm zum Essen ein Lätzchen umzubinden), dann lässt er sich auf den Boden fallen, kullert sich schreiend herum oder haut sich mit der einen flachen Hand auf den Kopf, während er gleichzeitig in die andere Faust beißt. Man sollte ihn dann besser nicht durch Festhalten von seinem Verhalten abzubringen versuchen, sondern einfach alle gefährlichen Gegenstände aus seiner Nähe entfernen und ihn sich abreagieren lassen. Ich denke, dass das bereits eine Vorstufe zu den epileptischen Anfällen ist, die viele Erkrankte etwa ab dem 18ten Lebensjahr regelmäßig haben.

Während viele Lowe-Syndrom-Kinder mit einer ernsthaften Muskelhypotonie geboren werden, d.h. besonders ihre quergestreifte Muskulatur ist schwach und steht zu wenig unter Spannung, habe ich bei Staś noch nicht beobachtet, dass er sich mühsam bewegt oder bestimmte Bewegungen gar nicht ausführen kann. Er kann allein laufen und auch essen und damit meine ich: Er kann ohne Hilfe laufen und so essen, dass der Tisch hinterher keinem Schlachtfeld gleicht. Trotzdem zieht er es vor, gefüttert zu werden. Wenn niemand in seiner Nähe steht, isst er meistens brav allein, wenn ich aber neben ihm sitze, um ein anderes Kind zu füttern, dann stupst er mich immer an, damit ich ihn füttere oder ihm zumindest den Löffel wieder voll mache. Er weiß auch genau, wann er essen will und was und zeigt das auch deutlich – hat er keinen Hunger mehr, steht er einfach auf. Ja, manchmal kommt er später noch mal wieder und es gelingt einem, ihm noch einen Happen Brot oder einen Löffel Suppe in den Mund zu schieben. Schmeckt ihm etwas besser als der Rest, zeigt er die ganze Zeit drauf, will er trinken – und er will sehr oft und sehr viel trinken – dann läuft er zum Essenswagen oder greift nach dem Becher. Sein Bedürfnis nach viel Zutrinken hängt wiederum mit seiner Krankheit zusammen. Eine Teilerkrankung des Lowe-Syndroms ist die selektive proximale Tubulopathie, d.h. eine Funktionsstörung des proximalen Tubulus. Für alle, die in Bio nicht so gut aufgepasst haben: Als proximalen Tubulus bezeichnet man das Hauptstück der Nierenkanälchen, in dem große Mengen Kalium-, Calcium- und Chlorid-Ionen, Glukose oder Eiweiße resorbiert und Hydrogencarbonate sezerniert werden. Durch die Dysfunktion verlieren die Erkrankten anormal schnell diese wichtigen Substanzen und deshalb stellt eine Dehydratisierung eine besonders große Gefahr für die dar. Auch sind sie bis zum Lebensende auf viele Medikamente angewiesen. Unser Staś bekommt zu jeder Mahlzeit 1-3 Medikamente, darunter Kaliumchlorid (um einer Hypokaliämie vorzubeugen), eine Phosphat-Mischung (um die Rachitis einzudämmen, die u.a. für Stanisławs Froschbauch verantwortlich ist, eine durch Vitamin-D- und Calcium-Mangel hervorgerufene Schlaffheit der Bauchmuskulatur) und Piracetamum, das bei Myoklonie (rhythmischen Muskelzuckungen, u.a. bei Epilepsie) und zur Anregung der Sauerstoffverwertung im Gehirn gegeben wird, um die Konzentration zu fördern und Antriebslosigkeit abzuschwächen. Nebenwirkungen können jedoch allergische Hautreaktionen sein und wenn diese aufgekratzt werden und schlecht verheilen (immerhin ist Staś ein Kind), bleiben raue Narben zurück, weshalb sein ganzes Hautbild schlecht ist. Seine Hände sind von einer bräunlichen, ledrigen Hornhaut bedeckt und an seinen Fingern sind ganz viele blutig gekratzte Dellen.
Auch bei Spaziergängen zieht Staś es vor, im Rollstuhl geschoben zu werden und das auch bitte im zügigen Tempo, denn wenn man mal anhält, um auf die „langsamen Fußgänger“ zu warten, wird er schnell unruhig und quengelt rum. Seine Vorliebe für das schnelle Fahren ist seinem Bedürfnis für Stimulation geschuldet. Durch das stark eingeschränkte Sehfeld und die Anstrengung bei aus eigenen Antrieb vollführten Bewegungen lieben Lowe-Syndrom-Kinder die Stimulation von außen, weil es Abwechslung bringt und für sie wie ein spannender Film ist. Deshalb besteht Stanisławs Rehabilitation auch aus einer Abfolge von Stimulationen, sei es Schaukeln, auf einem Hüpfeball Hüpfen oder auf einer flachen Rollbrett Liegen und Herumfahren. Seltsamerweise zeigt Staś nie Interesse an der Hängematte in unserem Gruppenraum, man muss ihn quasi zu seinem Glück zwingen und ihn einfach immer mal hineinhieven.

Besonders überraschend war für mich seine Sprachtherapie. Er arbeitet mit einem Computerprogramm, das ganz einfach gestrickt ist, es zeigt Animationen zu einer kleinen Auswahl von Begriffen wie Zug, Auto, Brücke, Giraffe oder Indianer. Paulina, die Logopädin, stellt Staś dann immer die Aufgabe, aus zwei Motiven eines zu wählen. Dann muss er auf den Bildschirm drücken und mit jedem Berühren kommt ein Detail des Motivs hinzu, sodass er das Bild zu dem gewählten Wort quasi selbst aufbaut. Ist das Bild fertig aufgebaut, folgt eine kleine Animation, also das Auto fährt oder die Giraffe frisst. Nun werden verschiedene Fragestellungen benutzt, um verschiedenen Fähigkeiten zu trainieren oder zu überprüfen, so muss Staś z.B. das von ihm gewählte Motiv aus zwei Bildern noch einmal auswählen, um seine Wahl zu bestätigen, oder er bekommt zwei Gegenstände (Spielzeugauto, Spielzeugzug) und muss dann noch einmal das richtige Motiv auswählen. Manchmal beginnt Paulina eine Animation und zeigt Staś dann zwei Bilder und er soll voraussagen, welche Animation jetzt folgen wird. Wenn er ein Tier wählt, soll er sagen, was das Tier frisst. Und dann zur Überprüfung soll er noch zeigen, was das Tier mit dem Gegenstand macht (also essen, gehen, etc.). Nach Vollenden der Animation muss er alle Zettel und Gegenstände immer an Paulina zurückgeben, bevor die nächste kommt. Er liebt das! Und er hat erstaunlicherweise immer alles richtig gemacht, weshalb ich mich fragte, warum er nicht an unserem Gruppenunterricht teilnimmt, aber das gefällt ihm vermutlich einfach nicht. Auch in dieser von ihm so geliebten Therapie fing seine Konzentration nach etwa 15min an nachzulassen, weil es ihn nicht mehr genug stimuliert hat.

Wie aufgezeigt ist das Lowe-Syndrom nicht heilbar. Mit verschiedenen medikamentösen Therapien kann man lediglich versuchen, die Niereninsuffizienz herauszuzögern, Glaukom und Katarakt lassen sich operativ behandeln, Physiotherapie gilt eher der Stimulation der Kinder als dem Aufhalten ihrer Erkrankung und so liegt die Lebenserwartung durchschnittlich bei 30 bis 40 Jahren, vielleicht 10% der Kinder sterben aber schon bis zum zehnten Lebensjahr.

Sonntag, 16. November 2014

Samstag bis Sonntag, 15. - 16.11.2014: Von Pierogi und deutschen Kurzfilmen

Am Samstag hatte ich mit meinen Mentorinnen Kasia und Wanda Kochen vereinbart und aus diesem Anlass schauten noch ein paar andere Freiwillige samt Mentoren vorbei, sodass eine fröhliche Schar von vielleicht 13 Mann in unserer Küche zu hantieren begann und staunte, wie schön und groß doch hier alles sei. Und sauber natürlich, war dem Event doch eine Putzorgie vorausgegangen, weil wir einige Unstimmigkeiten bezüglich des Putzplanes gehabt hatten. Nun sind aber alle Gewitterwölkchen wieder verflogen und Putzplan 2.0 etabliert sich langsam aber sicher.
Wir kochten Pierogi, weil ich das unbedingt lernen wollte. Und dabei sei gleich am Anfang gesagt: Pierogi zu kochen ist unglaublich einfach. Aber ... ja, es gibt ein aber, es benötigt unglaublich viel Zeit und obwohl wir so viele fleißige Hände hatten, brauchten wir gut 2h, bis wir endlich etwas auf unseren Tellern hatten.

Für den Teig:
Man nehme Mehl, für 13 Personen haben wir 3kg verwendet, aber der Teig lässt sich besser herstellen, wenn man 500g-Portionen zubereitet. Man nehme also 500g Mehl und gebe etwa heißes Wasser oder, wenn vorhanden, Buttermilch hinzu und verarbeite beides zu einem geschmeidigen Teig, der nicht klebt, aber auch nicht zu trocken ist, weil man die Pierogi sonst nicht schließen kann.

Wanda und ich

Für Spinat-Füllung:
Man nehme eine halbe Packung tiefgefrorenen Spinat, eine halbe Packung gesalzenen Feta- oder Salzlakenkäse und zwei Knoblauchzehen. Spinat in einer Pfanne auftauen und erwärmen, den Feta unterrühren und klein geschnittenen Knoblauch zugeben. Mit Salz und Pfeffer würzen.


Für Sauerkraut-Füllung:
Man nehme ein halbes Päckchen Sauerkraut, 2 Zwiebeln und ein paar Pilze, wie's beliebt, eine halbe Packung vielleicht. Man schmore die Pilze mit den Zwiebeln und gebe dann das Sauerkraut hinzu, welches vorher gewässert werden sollte, damit es nicht zu sauer ist. Mit Pfeffer und wenig Salz würzen.

Für russische Füllung:
Man nehme 1/2 kg Kartoffeln, koche sie und zerstampfe sie dann. Man füge ein Päckchen Quark und 2 klein geschnittene Zwiebeln hinzu und vermenge alles. Gut mit Salz würzen!

Für süße Füllung:
Hier haben wir selbst ein bisschen herumexperimentiert und natürlich kann man Pierogi prinzipiell füllen, wie man möchte. Wir haben selbstgemachten Frischkäse mit Blaubeermarmelade gemischt und weil das noch sehr flüssig war und immer aus den Pierogi herausgequatschert ist, haben wir das ganze mit Müsli gebunden. Man kann aber süße Pierogi auch mit Quark und Früchten wie Erdbeeren oder Schattenmorellen füllen.

Für ukrainische Pelmeni:
Man nehme vielleicht 500g Gehacktes und gebe 1-2 gewürfelte Zwiebeln hinzu. Mit Salz und Pfeffer würzen. Wichtig ist, dass das Fleisch ungekocht ist, während polnische Pierogi mit gekochtem Fleisch gefüllt werden. Da wir aber einige Vegetarier bei uns hatten, haben wir nur vegetarische Pierogi zubereitet.

Pelmeni haben traditionell eher die Form von Tortellini


So, man rolle den Teig sehr dünn aus. Es ist wichtig, dass er dünn ist, sonst schmecken die Pierogi nur nach Teig. Dann steche man mit einem Glas Kreise aus und gebe je nach Füllung etwa einen TL Füllung auf den Kreis und falte ihn in der Mitte. Die Ränder müssen gut aneinandergedrückt werden, damit die Pierogi beim Kochen nicht aufgehen. Man kann den Rand mit einer Gabel andrücken, um ihn zu fixieren, oder wie wir rundum umklappen, was natürlich viel besser aussieht, aber einige Übung erfordert. Ich darf aber stolz berichten, dass ich alle unsere Pierogi gefaltet habe und meine Wanda voll des Lobes da sehr überrascht war, wie gut ich für einen Ausländer Ränder falten konnte. =)




Die Pierogi werden in Salzwasser gekocht (außer die süßen), bis alle an der Oberfläche schwimmen, bei dickem Teig etwas länger, auch hier einfach ein bissche ausprobieren und dem Bauchgefühl vertrauen.
Ich präferiere hinterher noch angebratene Pierogi, typisch ist es auch, eine "Soße" aus flüssigem Fett und darin gebratenen Schinken- und Speckwürfeln zu servieren oder einfach Schmorzwiebeln. Zu den Pelmeni isst man Essig, aber unser 10%-iger Essig war zu stark – bitte nur 7-9%-igen verwenden! ^^

Na dann mal Smacznego!

Vom 12. bis 16.11 fand in Warschau außerdem ein weiteres Filmfestival statt – cinemaforum. Es wurden vor allem Kurzfilme aus verschiedenen Ländern gezeigt, die außerhalb von kommerziellen TV-Sendern oder Filmproduktionen erstellt wurden, u.a. studentische und Amateurfilme. Das Ziel ist es, Künstlern eine Plattform zu bieten, die Gestaltung ihrer Filme und die Themen frei zu wählen. Es wurde der Jan Machulski Independent Feature Film Award verliehen und alle dafür nominierten Filme gezeigt, außerdem konnte man an verschiedenen Workshops, Vorträgen oder Treffen mit den Regisseuren teilnehmen. 
Ich habe mir am Sonntag die deutschen Kurzfilme angeschaut (einfach auch, weil ich unter der Woche keine Zeit hatte). An den ersten kann ich mich gar nicht mehr recht erinnern, den zweiten fand ich seltsam, den dritten kannte ich schon, aber der vierte und letzte war wirklich gut und so möchte ich ihn kurz vorstellen:
"Stufe Drei" ist eine halbstündige Komödie der Hamburg Media School, der die Geschichte von Maik erzählt, der Sozialstunden in einer Behinderten-WG ableisten muss, weil er schwarz gefahren ist ... und die Kontrolleure zusammengeschlagen hat. Er möchte so schnell wie möglich wieder fort von den vier sehr verschiedenen Insassen und den beiden seltsamen Therapeuten, doch zuerst soll er wie alle die drei Stufen Akzeptanz, Reflexion und Integration durchlaufen. Und bald ist er nicht mehr sicher, ob nicht doch die Therapeuten die zu Therapierenden sind, und er beginnt seine Arbeit zu akzeptieren und seine Schützlinge zu verstehen, mischt mit ihnen die Hochzeit der Ex von Norbert auf und geht am Ende sogar mit ihnen "Blätter sammeln", das heißt Fritten und Burger am Strand essen.


Maik und Norbert

Samstag, 15. November 2014

Dienstag, 11.11.2014: Polnischer Unabhängigkeitstag in Warschau

Mein Unabhängigkeitstag war sehr voll. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll zu erzählen. Die Vorbereitungen gingen (natürlich auch schon viel eher) am Vortag los. Da viele das verlängerte Wochenende zum Verreisen nutzen, waren nicht viele Kinder im Kindergarten und so hatte ich am Montag frei und Zeit, durch die Stadt zu streunern. Am Plac Marszałka Józefa Piłsudskiego waren die Vorbereitungen in so vollem Gange, dass man hätte meinen können, der Feiertag wäre nicht erst einen Tag später, sondern sofort und auf der Stelle. Das polnische Militärordinariat war in rot und weiß angestrahlt, eine Bilder- und Filmshow kündete von den Ruhmestaten (naja, so wirklich viel Ruhm im Kampf gab es in der polnischen Geschichte ja nicht) des Heeres und der Geschichte Polens im Allgemeinen, sehr starke Scheinwerfer beleuchteten den Platz, des Grabmal des Unbekannten Soldaten war blutrot ausgestrahlt und überall hüpften schnieke Militärs umher, übten das Marschieren in der Formation, das Abstellen von Blumen und Kränzen oder unterwiesen wichtige Politiker (die ich allerdings natürlich alle nicht erkannte), was sie am nächsten Tag zu tun oder zu lassen und wo sie zu sitzen und wann sie zu lächeln hatten.
In der Straße ... waren rot-weiße Banner über die ganze Länge der Straße aufgespannt, sodass man vor polnischen Nationalfarben den Asphalt nicht mehr sah. Selbst die Absperrbänder und Straßenschilder ließen ihre polnische Herkunft heraushängen.


Statur von Józef Piłsudski

Blick auf den Plac Marszałka Józefa Piłsudskiego
Mahnwache vor dem Präsidentenpalast für die beim Flugzeugabsturz
in Smolensk ums Leben gekommenen Politiker und Militärs

Vor dem Präsidentenpalast hielten wieder Anhänger des rechten Flügels Mahnwache für den 2010 in Smolensk bei einem Flugzeugabsturz verstorbenen Präsidenten Lech Kaczyński und alle weiteren, hochrangigen Politiker und Offiziere, die alle im selben Flugzeug verunglückten. Viele Menschen hatten Flaggen und aus roten und weißen Grablichtern war ein von einem Wappen ummantelten Kreuz gestellt. Ich denke, es soll an das Kreuz erinnern, das einst als Gedenken vor dem Präsidentenpalast stand und dann auf Geheiß des neuen Präsidenten Bronisław Komorowski in die Heilig-Kreuz-Kirche gebracht wurden, weil es vor dem Palast nicht stehen bleiben konnte.

Am nächsten Morgen brach ich sehr früh auf, denn ich wollte 8:30 Uhr an der Józef Piłsudski Statur sein, die am gleichnamigen Platz steht. Ich war knapp dran, aber als ich ankam, sah ich nicht mehr als Aufbauarbeiten und Soundchecks um das Denkmal und das Einrichten von Essständen im sächsischen Garten. Einen Moment hatte ich Angst, ich sei falsch, denn es gibt ein weites Józef Piłsudski Denkmal, doch dann querte ich den Platz und siehe da … da probten die fein herausgeputzen Soldaten wieder das Stehen und Gehen. Seltsamerweise waren keine Leute da. Obwohl der Präsident höchstpersönlich erscheinen sollte. Ein paar Anzugmänner kamen in schwarzen Autos an, schüttelten Hände und warteten. Ein älterer Mann raunte mir zu „Pan Prezydent“ und ich meinte nur „Tak, wiem“ und überlegte, wer von ihnen wohl der Präsident sein würde. Ich hatte mir gerade einen ausgesucht, als ich Sirenen hörte und eine kleine Kolonne angefahren kam. Des Präsidenten Wagen wurde vorn und hinten jeweils von einem Polizei- und einem Security-Wagen eskortiert. Dann stieg er aus und die Politiker stellten sich in einer Reihe vor dem Denkmal auf, während zwei Soldaten den großen, mit roten und weißen Blumen geschmückten Kranz brachten und ablegten. Die Amtshandlung des Präsidenten bestand dann nur noch darin, das bedruckte Schmuckband zu richten. Aus, vorbei, Ende. Es waren etwa 20 Leute da gewesen, Absperrungen gab es keine, nur drei lockere Ringe aus Security, Militär und noch einmal Security. Weil der Präsident aber noch etwas Zeit hatte, kam er auf uns wartende Menschen zu, gab dem einen oder anderen die Hand, verteilte Kokarden in den Nationalfarben und ließ Bilder mit sich schießen. Er kam sehr volksnah und freundlich herüber und als ich später meine Mentorin fragte, bestätigte sie mir, dass die meisten Polen zufrieden mit ihm seien. Nun, den meisten sei der Präsident egal, aber er verursache nichts Schlechtes und versuche immer etwas gemeinsam zu machen, alle Gruppen zu integrieren und den Dialog zu suchen. Er gehört der liberal-konservativen PO (Platforma Obywatelska – Bürgerplattform) an und ist seit August 2010 im Amt. Ich verpasste es leider, mir eine Kokarde abzuholen, aber es war berührend, wie sehr sich diese Menschen freuten, den Präsidenten getroffen zu haben, und wie stolz sie darauf waren.


Chodź Adrian!  Und bitte recht freundlich!

Hernach ging ich zur offiziellen Feiertagsmesse in die Johanneskathedrale in der Altstadt. Am Eingang wurde ich erst einmal kontrolliert. Verständlich, nahm ja auch der Präsident am Gottesdienst teil, aber irgendwie war die Kontrolle nicht sehr gründlich: Ich musste weder alle Fächer meines Rucksacks zeigen, noch suchte irgendjemand in irgendeiner Art nach Waffen an meinem Körper. Nun ja, wie dem auch sei. Die Kirche war gefüllt, aber nicht voll – es gab sogar noch Sitzplätze und natürlich massenhaft Stehplätze – und die Hälfte der Plätze war überdies von Politikern und Militärs okkupiert. Im Chorraum saßen 3 Gruppen, 2 in historischen Gewändern und eine Art Ritterorden. Links und rechts standen immer jeweils 3 Soldaten einer Einheit mit Standarte und hinten verschiedene Gruppen Pfadfinder. Als der Präsident kam, standen alle auf und setzten sich erst mit ihm wieder hin. Aber da ging die Messe auch schon los und der Militärbischof der polnischen Streitkräfte, Józef Guzdek, zog ein. Nach dem Einzug wurde die Nationalhymne gespielt und alle Soldaten präsentierten Säbel und Standarten.



Die meisten Aufgaben in der Messe übernahmen auch Soldaten: Stab und Mitra, den Altardienst, die Lesung und Fürbitten sowie die musikalische Gestaltung mit Blasorchester und Chor. Was mir während des Hochgebetes auffiel, war, dass keineswegs ein Ministrant das Weihrauchfass hielt, sondern vielmehr der Weihrauch einfach vor dem Hochgebet vorm Altar abgestellt und danach wieder aufgenommen wurde. Alles in allem war die Messe vom Ablauf her schlicht, von der Ausgestaltung jedoch nichtsdestotrotz feierlich, wenn auch sehr militarisiert. Und ich frage mich dann: Natürlich sind in Polen (fast) alle katholisch – zumindest auf dem Papier – aber wo bleibt denn da die Trennung von Kirche und Staat? Ja, das ist ein Grund, warum so viele nicht in diese, für meine Begriffe doch bedeutende (da an einem wichtigen Feiertag und mit wichtigen Persönlichkeiten) Messe kommen – weil es ihnen zum Halse heraushängt, dass die Kirche zu sehr über Politik predigt oder einzelne Priester sogar offenen Wahlkampf betreiben und weil sie keine Messe besuchen wollen, die durch Politiker „verschmutzt“ ist, wie es meine Mentorin bezeichnete.
Ich hatte nun eine ganze Weile Zeit und schaute zum Bieg Niepodległości, dem Unabhängigkeits­lauf, an dem man ganz verschieden teilnehmen konnte, als Läufer, als Walker, als Sicherheitsmann … nee, gut. Das Schöne am Lauf ist, dass die Starter weiße und rote Trikots tragen und alle weißen Läufer auf einer Seite starten und die roten auf der anderen, sodass die laufende Masse idealerweise die Polenflagge auf den Asphalt malt. Je nachdem, wie sehr sich die Läufer unterwegs schon durchmischt hatten, klappte das besser oder schlechter, doch die Atmosphäre der anfeuernden Menge war wunderbar. Und wie immer liefen auch diesmal wieder Väter mit Kinderwägen oder 100-Jährige mit.


Gegen 12:00 Uhr erreichte ich mein nächstes Ziel, das ehemalige Pawiak-Gefängnis, wo heute noch eine Original-Mauer, ein Museum und eine Gedenkstätte stehen. Auch hier sollten Blumen niedergelegt werden und wieder staunte ich, wie wenig Leute gekommen waren. Wir waren zu zwölft, davon waren 3 Soldaten gezwungenermaßen da und zwei Organisatoren zum Fotografieren und Aufpassen. Es war also sehr leer, als die aktuelle Erziehungsministerin und Gründerin der PJN (Polska Jest Najważniejsza – Polen ist das Wichtigste), Joanna Kluzik-Rostkowska, zusammen mit einem ehemaligen Häftling des Gefängnisses einen Kranz niederlegte, gefolgt von der stellvertretenden Programmdirektorin des Unabhängigkeitsmuseums Jolanta Dąbek. Dies alles dauerte nicht lange und nachdem ich mir hatte erklären lassen, wer die ganzen Personen hier wären (denn natürlich kannte ich sie nicht …), kehrte ich zum Denkmal des Unbekannten Soldaten zurück, denn dort würde die offizielle Parade starten und vorher eine weitere Kranzniederlegung samt Militärpräsentation stattfinden.


Im blauen Mantel: Joanna Kluzik-Rostkowska

Es war sehr voll und da die Präsentation schon begonnen hatte, bekam ich keinen guten Platz zum Sehen. Es gab aber auch nicht so viel zu sehen, nur brav aufgestellte Soldaten und eine nicht enden wollende Schlange Politiker, die Blumenkränze zum Denkmal brachten, ja, es gab nicht einmal etwas zu hören außer der Rede des Präsidenten, von der ich natürlich nicht so viel verstand – keine schöne Musik, nur das monotone Trommeln, damit die Gedenkschlange ordentlich im Takt marschierte – und so kaufte ich mir obwarzanki, setzte mich in den Park und schaute dem bunten Treiben zu. Überall konnte man Flaggen in verschiedenen Größen, Kokarden oder Schleifchen erwerben und auch für das leibliche Wohl war durch warmen Käse, Kringel oder Zuckerwatte gesorgt. Auffallend war, dass verhältnismäßig viele Kinder in Militärkleidung gesteckt waren: Ich sage verhältnismäßig, weil es nicht überhand nahm, aber es war doch auffällig. Gerade bei den jüngeren Kindern (4-10 Jahre) war die Verkleidung offensichtlich. Doch ich mir geriet auch eine Gruppe Mädchen unter die Augen, deren Uniformen so perfekt waren, dass ich echt zu überlegen begann, ob es militärische Jugendgruppen gab. Meine Mentorin verneinte das – vielleicht seien es Pfadfinder gewesen? Aber nein, Pfadfinder haben andere Uniformen … ich war und bin noch immer dezent verwirrt. Ich überlege ernsthaft, ob die Jugendlichen (ca. 12-16 Jahre) Waffen bei sich trugen. Leider habe ich kein Foto gemacht …


Grab des Unbekannten Soldaten

Man beachte die Scharfschützen ...

Viertel zwei traf ich mich mit meiner Mentorin Wanda am Springbrunnen im Sächsischen Garten. Es war auch ihre erste Parade und so wussten wir beide nicht so recht, was uns erwarten würde. Ich hatte von den letzten Jahren gelesen, dass Soldaten in historischen Kostümen mitgehen würden, und außerdem hatte ich Bilder von berittenen Militärs gesehen. Meine Erwartungen waren also hoch … und wurden bitter enttäuscht. Vier militärische Einheiten (Heer, Luftwaffe, Marine und Spezialkräfte) bildeten die Spitze, allen voran das Musikkorps. Dann folgten zwei schwarze Führungswagen, ein Unterhaltungsbus, der die ganze Sache ein bisschen mit Moderation und Gesang aufheiterte, dann kam der Militärchor, die Politiker und dann … schon ganz viele Menschen. Keine historischen Soldaten. Keine Reiter. Ich war sooo traurig …
Nun gut, da wir beide kein Interesse daran hatten, in der Menschenmenge mitzulaufen, überholten wir den Zug immer wieder, um ihn erneut von vorne sehen zu können. Wanda meinte, sie habe noch nie so viele Politiker mit eigenen Augen gesehen … da ich die ganzen wichtigen Leute ja aber nicht erkannte, ging es mir nicht ganz so.
Die Parade, deren Träger übrigens offiziell der Präsidenten ist, stoppte an verschiedenen Denkmälern, die wir passierten, z.B. des Kardinals Stefan Wyszyński, der in den 80er Jahren entscheidend zwischen Solidarność und kommunistischer Regierung vermittelte und in Polen als Symbolgestalt des geistigen Widerstandes gilt, des ehemaligen Ministerpräsidenten Ignacy Jan Paderewski und schließlich am Denkmal des Marschalls und ersten Präsidenten Polens Józef Piłsudski. Und an allen Stationen gab es Kranzniederlegungen, kleine Reden und Musik. Kein Wunder, dass der Präsident nach den fast 2,5h Marsch reichlich geschafft aussah, als er seine Abschlussrede begann, zumal die geplante Zeit schon mehr als 30min überschritten war.




Am Denkmal von Wincenty Witos, dessen Regierung
1926 durch den Maiputsch Piłsudskis gestürzt wurde


Ein Blick in die Suppenküche

Zum Abschluss wurde noch einmal die Nationalhymne gespielt, diesmal auch alle Strophen. Überraschenderweise sang niemand mit. Okay, ich sag mal … der Präsident sang ordentlich alle Strophen und die Politiker im Blickfeld der Übertragungskamera bewegten wenigsten ihren Mund, ab der zweiten Strophe haperte es dann aber schon mit dem Text. In meinem näheren und weiteren Umfeld war ich der einzige, der die Melodie auch nur im geringsten mitsummte (denn natürlich kenne ich den Text nicht) und erntete dafür schon erstaunte Blicke. Was mich verwundete, denn ich dachte immer, Polen seien so stolz auf ihr Land und die Hymne zu singen zeigt so viel Patriotismus. Selbst in Deutschland stimmt jeder in die Hymne ein, selbst wenn man sich sonst nicht so wirklich traut, Flagge zu zeigen.
Und dann war es auch schon vorbei, das Militär zog geordnet ab, es wurden noch ein paar Hände geschüttelt und der Militärchor bot ein paar schöne Stücke dar. Es war schon ziemlich dunkel. Ich überlegte, wie ich am besten zu dem rechten Marsch gelangen könnte, aber der befand sich am anderen Ende der Innenstadt und so begnügte ich mich damit, meine Suppe zu essen und den Heimweg anzutreten. Ja, in den vielen Verpflegungszelten, die die Straße säumten, wurden kostenlos für alle Paradeteilnehmer Żurek und Grochówka, also Erbsensuppe, ausgeschenkt.

Obwohl ich ihn dann doch nicht besucht habe, möchte ich es nicht versäumen, über den rechten Marsch zu berichten, der in diesem Jahr auch die deutschen Nachrichten erreichte. Der Marsz Niepodległości, nicht zu verwechseln mit der offiziellen Parade, dem Marsz „Razem dla Niepodległej“, führt seit 2010 alljährlich durch die Straßen Warschaus und zieht zehntausende Teilnehmer aus ganz Polen an. Dieses Jahr nahmen 50.000 Menschen an dem Zug teil. Mittlerweile typisch geworden sind die Krawalle und Ausschreitungen mit der Polizei, zu denen es stets kommt, so wurden die letzten beiden Jahre der Regenbogen in Brand gesteckt und letztes wie auch dieses Jahr die russische Botschaft angegriffen, indem sie mit Feuerwerkskörpern und Molotow-Cocktails beworfen wurde. Mehrere Wachhäuschen sowie unzählige Autos sind während der ganzen Veranstaltung in Flammen aufgegangen, etwa 5.000 schwer bewaffnete Polizisten waren im Einsatz, von denen 25 verletzt wurden, und knapp 300 Hooligans wurden vorläufig festgenommen, nachdem sie sich mit den Ordnungshütern eine zweistündige Straßenschlacht vor dem Nationalstadion geliefert hatten. Die traurige Bilanz eines Tages, an dem eigentlich der freudige Umstand der Unabhängigkeit des eigenen Landes gefeiert werden sollte. Immerhin ist Polen nun schon seit 96 Jahren ein souveräner Staat, nachdem es für 123 Jahre zwischen Russland, Preußen und Österreich-Ungarn aufgeteilt gewesen war. Ende des zweiten Weltkriegs nämlich, im Frühjahr des Jahres 1918, hatten die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn von Russland die staatliche Unabhängigkeit Polens gefordert, was auch vom amerikanischen 14-Punkte-Programm unterstützt wurde, und so wurde Józef Piłsudski, nachdem er aus der deutschen Haft in Magdeburg entlassen worden war, zum ersten polnischen „Präsidenten“. Die ersten freien Wahlen zum verfassungsgebenden Sejm fanden im Januar 1919 statt und bestätigten Piłsudski als Staatsoberhaupt, weshalb er in Polen eine wichtige Persönlichkeit ist und die Parade gleich zwei seiner Denkmäler ehrte.



Sonntag, 9. November 2014

Freitag bis Sonntag, 07. - 09.11.2014: Von Abschieden und Festivals

Zwei Monate sind jetzt rum und wir hatten unseren ersten Abschied ... am Freitag mussten wir unserer "Mutti" Suzi adieu sagen und auch Ance, die in Laski nahe Warschaus in einem Internat für blinde Kinder arbeitete, verließ uns. Aber wie es sich ziemt, stieg in Gocław eine zünftige Abschieds- und Geburtstagsparty mit ländertypischen Spezialitäten, Tanz und Gesang, immerhin wurde Suzi am Samstag 17 Jahre alt (ähm, ja, also, eigentlich wurde sie 28, aber wir haben keine anderen Kerzen für die Geburtstagstorte gefunden). 
Am Samstag brachten wir Suzi und ihr vieles Gepäck dann zum Chopin-Flughafen. Wer es nicht besser gewusst hätte, hätte denken könne, dass wir 5 Mädels alle in den Urlaub fliegen wollen und nicht nur Suzi nach Hause. Und schon war der Check-In-Punkt eröffnet, ein Koffer wegen Übergepäcks noch mal aus- und umgepackt und Suzi unter vielen Umarmungen verabschiedet worden. Sie brauchte eine Weile, um den Sicherheitsbereich zu passieren, denn sie hatte sehr viel Handgepäck. Außerdem muss man hier in Polen stets die Schuhe ausziehen und nicht nur dann, wenn es piept. Suzi brauchte 3 oder 4 Anläufe, bis das Portal nicht mehr rot blinkte und man sie passieren ließ. Ihr lockiges Haar wallte und schon war sie verschwunden ...

Das ganze Wochenende über hatte in Warschau auch das HumanDOC Film Festival stattgefunden. Auf dem Festival werden internationale Dokumentarfilme gezeigt, z.B. waren in diesem Jahr Filme über die Kriegslage in Syrien, das Retired Husband Syndrome in Japan oder über die Ernsthaftigkeit von Krebs zu sehen. Den Zuschauern soll der Lebensalltag von Menschen (besonders in Entwicklungsländern) näher gebracht und sie sollen für die Probleme und auch die Politik dort sensibilisiert werden.
Ich besuchte die Dokumentation Pieśń Pasterza (Des Schäfers Lied) des polnisch-armenischen Regisseurs Vahram Mkhitaryan mit anschließender Diskussionsrunde. Der nur halbstündige Film handelt zeigt das Leben eines blinden Ziegenhirten, dessen Sohn auch erblindet und deshalb auf eine besondere Schule nach Jerewan geht. Der Hirte kann seiner Blindheit ohne fremde Hilfe jeden Tag seine Ziegen in die Berge und zurück treiben. Da ihn sein Sohn aber vermisst, steht er vor der Entscheidung, auch in die Hauptstadt zu ziehen, um seinem Sohn näher zu sein, und damit sein frommes, einfaches Leben aufzugeben, oder dort zu bleiben, wo er sich zu Hause fühlt. Seine Ehefrau ist dabei sein Antagonist und will ihn zum Umzug bewegen. Für den Hirten wird die ganze Situation zum Dilemma und die Blindheit zum Gräuel, die seine Familie spaltet.
In der Diskussion stellte sich dann heraus, dass der Film u.a. darauf aufmerksam machen will, dass in Armenien viele Menschen durch einen genetischen Defekt blind sind, der anscheinend auch oft vererbt wird.


Vahram Mkhitaryan in Armenien

Samstag, 1. November 2014

Samstag, 01.11.2014: Allerheiligen in Polen


Allerheiligen ist ein katholisches Fest, bei dem man aller Heiligen gedenkt, d.h. nicht nur aller heilig Gesprochenen, sondern auch aller, um deren Heiligkeit nur Gott weiß. Da es ein Hochfest ist, wird die liturgische Farbe weiß getragen. Die Tradition entstand am Anfang des 7. Jahrhunderts, als die Zahl der Heiligen nach und nach stieg und man nicht mehr jedem Heiligen gesondert gedenken konnte. 835 wurde dann von Papst Gregor IV. der Feiertag für die gesamte Westkirche auf den 01. November festgelegt, in den orthodoxen Ostkirchen wird er jedoch am ersten Sonntag nach Pfingsten gefeiert.
Gleich im Anschluss an das Heiligengedenken feiert die Kirche am 02. November Allerseelen. An diesem Fest wird aller Verstorbenen gedacht. Einem alten Volksglauben nach steigen an diesem Tag die Seelen der Verstorbenen aus dem Fegefeuer, um sich einen Tag auszuruhen.
Im katholischen Polen ist Wszystkich Świętych (Allerheiligen) ein besonders wichtiges Fest. Alle putzen ihre Gräber heraus, auch jene, die sonst nicht viel Zeit auf dem Friedhof verbringen. Man kauft Grablichter und Blumen ein und schmückt die Grabstätten nach dem Prinzip „Je mehr, desto besser“, denn ein umfangreicher Schmuck gilt als Beweis des Gedenkens. Wenn Polen auch sonst sehr auf Kunstblumen stehen, werden für Allerheiligen und den Folgetag Allerseelen (Zaduszki) gerne aufwendige Gestecke aus frischen Blumen gebastelt, auch wenn man in der heutigen Zeit auch schon fertige Blumenkränze im Supermarkt oder Blumenladen kaufen kann. Auch die Grablichter waren für mich zuerst sehr extravagant: Sind in Deutschland schlanke, rote Zylinder typisch, so findet man solche schlichten Modelle hier keineswegs. Die Kerzen hier sind groß, bunt und dickbauchig, aufwendig verziert oder zu Figuren geformt und schon als ich vor zwei Monaten in Polen ankam, waren die Läden mit einem nicht enden wollenden Bestand Lichtern voll. Trotzdem sollte man sich seine Grabkerzen rechtzeitig kaufen, denn je näher Allerheiligen rückt, desto begehrter sind sie.

Grablichter nehmen jede freie Verkaufsfläche im Tesco ein



An der Grabplatte von Czesław Niemien,
dem bedeutendsten polnischen Songwriter des 20. Jahrhunderts

Der ein oder andere hat vielleicht auch schon mal den Namen Święto Zmarłych (Totenfeier) für den 01. November gehört, obwohl die „Feier für alle Toten“ natürlich Allerseelen ist. Der Grund liegt in der kommunistischen Zeit Polens. Da man dem populären, aber christlichen Fest Allerheiligen einen weltlicheren Charakter geben wollte, führte man in der Volksrepublik Polen einfach diesen Totengedenktag am selben Tag ein und noch heute werden die Begrifflichkeiten gerne durcheinander geworfen.
Für Polen ist Allerheiligen vor allen Dingen ein Fest der Familie. Man nutzt den Anlass, gemeinsam auf den Friedhof zu gehen, die Messe zu hören und zu gedenken, um lange nicht gesehene Verwandte zu treffen. Viele Polen nehmen weite Reisen durch das ganze Land auf sich, um an jedem Familiengrab mindestens eine Kerze zu entzünden. Am Abend sind die Friedhöfe überall bunt von Blumen, voll von Menschen und hell von Lichtern – eine Atmosphäre, die man auf jeden Fall erfahren sollte, wenn man sich um diese Zeit in Polen aufhält.





Seit einigen Jahren machen aber Ärzte und Umweltschützer immer wieder auf das Gesundheitsrisiko aufmerksam, welches der dichte Smog tausender Flammen über den Gräbern mit sich bringt. Und ich muss gestehen, dass auch mir bereits nach wenigen Minuten meines zweistündigen Friedhofaufenthalts das Atmen schwer fiel.

Meine Erfahrungen mit Allerheiligen in Polen sind folgende: Am Vortag, Halloween, sind alle sehr geschäftig, denn schließlich haben am Feiertag alle Läden zu und sogar unser 24h am Tag, 365 Tage im Jahr Großmarkt Tesco hatte tatsächlich geschlossen, und so bekommt das Fest einen extrem hohen Stellenwert. Halloween wird übrigens in Polen auch zunehmend gefeiert, wenn ich auch nicht ein Kind in unserem kinderreichen Stadtviertel nach Süßigkeiten herumlaufen sah, so hatten doch wenigstens die Fisch- und Käsethekenverkäuferinnen im Tesco kleine Teufelshörnchen auf, die Kinder im Kindergarten von nebenan Hexenkostüme an und in der Innenstadt gab es diverse studentische Gruselparties.
Als ich an Allerheiligen auf dem Hauptfriedhof Warschaus, dem Powązki-Friedhof, konnte ich außerdem folgendes beobachten: Viele Leute, besonders die Damen, waren extrem aufgetakelt. Der Besuch auf dem Friedhof ist für die Polen wie eine Oscar-Verleihung für prominente Schauspieler – sehen und gesehen werden. Jeder, der noch nicht genug Kerzen und Blumen ergattern konnte, hatte vor den vielen Eingängen noch Gelegenheit, das ein oder andere Schnäppchen zu machen und für die Kinder wurden kleine Gebäckstücke wie etwa obwarzanki, ein kleines, hartes, ringförmiges Brot mit Loch in der Mitte, verkauft. Des Weiteren werbenverkleidete Schauspieler, bekannte polnische Politiker oder Künstler mit Blechdosen um Spenden für die Erhaltung von Grabmäler auf diesem ältesten Friedhof Warschaus, um die sich keiner mehr kümmern kann. Und die Leute gaben gern und viel – Scheinwerferkollekte ...


Die wenigsten sind an Allerheiligen allein ...

Denkmal für den Warschauer Aufstand

Da in diesem Jahr Allerheiligen auf einen Samstag fiel und der Kindergarten am Samstag natürlich geschlossen hat, brachten wir schon am Donnerstag mit einigen Kindern 10 Kerzen zu einem Denkmal des Warschauer Aufstandes, welches in unserem Park aufgestellt ist. Wir erklärten den Kindern das Fest und jedes durfte eine Kerze abstellen. So konnten wir dieses besondere Gedenken geschickt mit einem kleinen Spaziergang durch den Park verknüpfen.