Weihnachten ist in Polen
das Fest der Familie und überhaupt das wichtigste Fest schlechthin.
Man feiert am 24. Dezember in seiner Familie den Heiligen Abend mit
einem großen Festessen, Wigilia genannt, und besucht an den
Weihnachtsfeiertagen all seine Verwandten.
Die Vorbereitungen für
Weihnachten beginnen etwa Anfang Dezember, wenn die polnischen
Lebkuchen, pierniczki, gebacken werden, die mindestens 3 Wochen
lagern und durchziehen müssen. Kurz vor Weihnachten werden die
Plätzchen dann verziert, die Polen sagen „bemalt“ und als ich
die Ehre hatte, in Teresas Familie Pierniczki mit zu bemalen, habe ich
auch verstanden, warum: weil es eine große Kunst ist. Es gibt
Zuckerguss in verschiedenen Farben, Schokoglasur, bunte Streusel,
Schokoplätzchen, Kokos, Rosinen … alles, was das Künstlerherz
begehrt. Wir haben sage und schreibe 3h für so ein paar läppische Plätzchen gebraucht und wir waren immerhin zur besten Zeit 6 Leute.
Da jede Familie natürlich
ihr eigenes, streng gehütetes Traditionsrezept besitzt, werde ich
hier mal das von meiner Sprachschullehrerin veröffentlichen:
Man
schmelze 250g Honig und 250g Margarine, gebe dem
Gemisch 5 Eier und 250g Zucker und vermische alles. 1kg
Mehl mit 25g Kakao, ½ EL Ingwerpulver, 1 EL
Zimt, 1 EL gemahlenen Nelken und 1 Pck. Backpulver
verrühren und nach und nach mit den Nasszutaten zu einem
geschmeidigen Teig verkneten. Den Teig für mind. 24h im Kühlschrank
ruhen lassen. Den Teig ausrollen, Figuren ausstechen und bei 180°C
11-13min backen. Wenn die Lebkuchen ganz ausgehärtet sind, kann man
sie verzieren.
Am Morgen des 24. wird
der Tannenbaum, choinka, geschmückt. In Polen ist es beliebt und
verbreitet, viel Lametta, verschieden große, farbige und bemalte
Kugeln, Figuren und bunte Lichterketten an den Baum zu hängen. Für
mich persönlich sahen die meisten Bäume einfach nur kitschig
überladen und überhaupt kein bisschen ästhetisch abgestimmt aus,
dafür sind viele Schmuckstücke Geschenke oder selbstgebastelte
Sachen und somit reiche Erinnerungen. Im Kindergarten hat Iryna die Bäume geschmückt (ich war zu der Zeit gerade in Zagnańsk) und sie sahen wirklich schön aus.
Nach der Tradition
beginnt man das Festessen, sobald der erste Stern am Himmel
aufgegangen ist. Weil einem dabei das Wetter aber wie in diesem Jahr
einen Strich durch die Rechnung machen kann, haben viele Familien
einfach eine feste Uhrzeit, zu der sie sich treffen und dann mit dem
Mahl beginnen, etwa zwischen 5 und 6 Uhr. Traditionell gibt es 12
Gänge, die an die 12 Apostel erinnern. Da der Heilige Abend noch zur
Fastenzeit gehört, sind alle Gerichte fleischlos und es wird auch
(in der Regel) kein Alkohol gereicht. Zu einem Gläschen
selbstgemachten Pfirsischschnaps kann aber doch niemand Nein sagen …
Zu den traditionellen
Gerichten gehören Roter Barszcz mit kleinen Pierogi, Pierogi mit
Kraut und Pilzfüllung, Karpfen oder Hering, Kraut mit Nüssen oder
Pilzen, Kutia (Kasza mit Nüssen und Honig, eine Art süßes
Dessert), Makowiec (ein Mohnstrudel), Szarlotka (Apfelkuchen), Kompot
(ein Getränk aus gekochten Früchten), Rotkraut oder
Rote-Bete-Salat, Gemüse- oder Fischsalate. Auf der Festtafel wird
stets ein Teller zu viel gedeckt, falls ein unerwarteter Gast
ankommt. Außerdem liegt ein bisschen Stroh unter der Tischdecke, was
daran erinnert, dass Jesus in der Krippe auf Stroh gelegen hat. In
einigen Regionen gibt es die Tradition, dass man einen Halm aus dem
Stroh zieht und wenn er noch grün ist, verspricht das eine große
Liebe und baldige Heirat, bei einem dunklen Halm genau das Gegenteil.
Unter die Teller legt man ein paar kleine Münzen als Symbol, dass
man von seinem Reichtum abgibt und außerdem, um seine Verwandten im
kommenden Jahr vor Armut zu bewahren.
Vor dem Mahl wird
traditionell die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vorgelesen und
gebetet, ich muss allerdings gestehen, dass ich von niemandem gehört
habe, dass er das macht. Diese Tradition wird ist also entweder sehr
alt und gerade am Aussterben oder sie wird nur noch in sehr streng
katholischen Familien praktiziert. Dann bricht man gemeinsam weiße,
mit Heiligenbildchen bedruckte Oblaten. Jedes Familienmitglied nimmt
ein Stück, man wünscht sich Glück und Erfolg für das kommende
Jahr und bricht dabei von der Oblate des anderen ein Stückchen ab,
welches man auch essen muss. Zu Weihnachten werden auch Haustiere wie
vollwertige Familienmitglieder angesehen und man bricht auch mit
ihnen die Oblaten, allerdings sollten sie bunt sein. Dann sollen die
Tiere um Mitternacht anfangen zu sprechen. Meine Freundin Teresa wartet
allerdings schon 14 Jahre darauf, dass ihr Hund anfängt zu sprechen.
Vielleicht ist sie einfach immer nur schon in der Christnacht, wenn
er anfängt, denn um Mitternacht gehen alle, auch die, die sonst das
Jahr über keine häufigen Kirchgänger sind, gemeinsam in die
Hirtenmesse, pasterka genannt.
Aber vorher wird die Zeit
bis zum Gottesdienst mit dem Singen von Weihnachtsliedern, kolędy,
und dem Auspacken der Geschenke verbracht, welche je nach Region
traditionsgemäß der Nikolaus, der Abendstern, ein Engel oder eine
Art Christkind wie in Deutschland bring. Die Messe, die wir gemeinsam besuchten, war sehr voll, Menschen standen bis nach draußen, aber sie war nicht besonders gestaltet. Auffällig war, dass die Messe wie zu Ostern im Dunkeln begann und erst beim Gloria unter heftigem Schellengeläut das Licht angeknipst wurde.