Freitag, 26. Dezember 2014

24.12.2014: Heiligabend in Polen

Weihnachten ist in Polen das Fest der Familie und überhaupt das wichtigste Fest schlechthin. Man feiert am 24. Dezember in seiner Familie den Heiligen Abend mit einem großen Festessen, Wigilia genannt, und besucht an den Weihnachtsfeiertagen all seine Verwandten.
Die Vorbereitungen für Weihnachten beginnen etwa Anfang Dezember, wenn die polnischen Lebkuchen, pierniczki, gebacken werden, die mindestens 3 Wochen lagern und durchziehen müssen. Kurz vor Weihnachten werden die Plätzchen dann verziert, die Polen sagen „bemalt“ und als ich die Ehre hatte, in Teresas Familie Pierniczki mit zu bemalen, habe ich auch verstanden, warum: weil es eine große Kunst ist. Es gibt Zuckerguss in verschiedenen Farben, Schokoglasur, bunte Streusel, Schokoplätzchen, Kokos, Rosinen … alles, was das Künstlerherz begehrt. Wir haben sage und schreibe 3h für so ein paar läppische Plätzchen gebraucht und wir waren immerhin zur besten Zeit 6 Leute. 


Da jede Familie natürlich ihr eigenes, streng gehütetes Traditionsrezept besitzt, werde ich hier mal das von meiner Sprachschullehrerin veröffentlichen:

Man schmelze 250g Honig und 250g Margarine, gebe dem Gemisch 5 Eier und 250g Zucker und vermische alles. 1kg Mehl mit 25g Kakao, ½ EL Ingwerpulver, 1 EL Zimt, 1 EL gemahlenen Nelken und 1 Pck. Backpulver verrühren und nach und nach mit den Nasszutaten zu einem geschmeidigen Teig verkneten. Den Teig für mind. 24h im Kühlschrank ruhen lassen. Den Teig ausrollen, Figuren ausstechen und bei 180°C 11-13min backen. Wenn die Lebkuchen ganz ausgehärtet sind, kann man sie verzieren.

Am Morgen des 24. wird der Tannenbaum, choinka, geschmückt. In Polen ist es beliebt und verbreitet, viel Lametta, verschieden große, farbige und bemalte Kugeln, Figuren und bunte Lichterketten an den Baum zu hängen. Für mich persönlich sahen die meisten Bäume einfach nur kitschig überladen und überhaupt kein bisschen ästhetisch abgestimmt aus, dafür sind viele Schmuckstücke Geschenke oder selbstgebastelte Sachen und somit reiche Erinnerungen. Im Kindergarten hat Iryna die Bäume geschmückt (ich war zu der Zeit gerade in Zagnańsk) und sie sahen wirklich schön aus.


Nach der Tradition beginnt man das Festessen, sobald der erste Stern am Himmel aufgegangen ist. Weil einem dabei das Wetter aber wie in diesem Jahr einen Strich durch die Rechnung machen kann, haben viele Familien einfach eine feste Uhrzeit, zu der sie sich treffen und dann mit dem Mahl beginnen, etwa zwischen 5 und 6 Uhr. Traditionell gibt es 12 Gänge, die an die 12 Apostel erinnern. Da der Heilige Abend noch zur Fastenzeit gehört, sind alle Gerichte fleischlos und es wird auch (in der Regel) kein Alkohol gereicht. Zu einem Gläschen selbstgemachten Pfirsischschnaps kann aber doch niemand Nein sagen …
Zu den traditionellen Gerichten gehören Roter Barszcz mit kleinen Pierogi, Pierogi mit Kraut und Pilzfüllung, Karpfen oder Hering, Kraut mit Nüssen oder Pilzen, Kutia (Kasza mit Nüssen und Honig, eine Art süßes Dessert), Makowiec (ein Mohnstrudel), Szarlotka (Apfelkuchen), Kompot (ein Getränk aus gekochten Früchten), Rotkraut oder Rote-Bete-Salat, Gemüse- oder Fischsalate. Auf der Festtafel wird stets ein Teller zu viel gedeckt, falls ein unerwarteter Gast ankommt. Außerdem liegt ein bisschen Stroh unter der Tischdecke, was daran erinnert, dass Jesus in der Krippe auf Stroh gelegen hat. In einigen Regionen gibt es die Tradition, dass man einen Halm aus dem Stroh zieht und wenn er noch grün ist, verspricht das eine große Liebe und baldige Heirat, bei einem dunklen Halm genau das Gegenteil. Unter die Teller legt man ein paar kleine Münzen als Symbol, dass man von seinem Reichtum abgibt und außerdem, um seine Verwandten im kommenden Jahr vor Armut zu bewahren.
Vor dem Mahl wird traditionell die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vorgelesen und gebetet, ich muss allerdings gestehen, dass ich von niemandem gehört habe, dass er das macht. Diese Tradition wird ist also entweder sehr alt und gerade am Aussterben oder sie wird nur noch in sehr streng katholischen Familien praktiziert. Dann bricht man gemeinsam weiße, mit Heiligenbildchen bedruckte Oblaten. Jedes Familienmitglied nimmt ein Stück, man wünscht sich Glück und Erfolg für das kommende Jahr und bricht dabei von der Oblate des anderen ein Stückchen ab, welches man auch essen muss. Zu Weihnachten werden auch Haustiere wie vollwertige Familienmitglieder angesehen und man bricht auch mit ihnen die Oblaten, allerdings sollten sie bunt sein. Dann sollen die Tiere um Mitternacht anfangen zu sprechen. Meine Freundin Teresa wartet allerdings schon 14 Jahre darauf, dass ihr Hund anfängt zu sprechen. Vielleicht ist sie einfach immer nur schon in der Christnacht, wenn er anfängt, denn um Mitternacht gehen alle, auch die, die sonst das Jahr über keine häufigen Kirchgänger sind, gemeinsam in die Hirtenmesse, pasterka genannt.
Aber vorher wird die Zeit bis zum Gottesdienst mit dem Singen von Weihnachtsliedern, kolędy, und dem Auspacken der Geschenke verbracht, welche je nach Region traditionsgemäß der Nikolaus, der Abendstern, ein Engel oder eine Art Christkind wie in Deutschland bring. Die Messe, die wir gemeinsam besuchten, war sehr voll, Menschen standen bis nach draußen, aber sie war nicht besonders gestaltet. Auffällig war, dass die Messe wie zu Ostern im Dunkeln begann und erst beim Gloria unter heftigem Schellengeläut das Licht angeknipst wurde.

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