Das ich so eine verrückte Reise machen
würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Zumindest nicht so
bald. Und ja, am Anfang war ich skeptisch,
wie sollte das schon gehen, dieses Hitchhiken, wer würde uns schon
mitnehmen, und so viele Leute. Doch schon
nach Vilnius wurden wir nach vielleicht 5 oder 10 Minuten von jemand
aufgegriffen, Krzysztof, der besser Englisch sprach, als er dachte,
als Maschinist und Stuntman arbeitet und vielleicht nächstes Jahr
heiraten will. Er hing zwar die ganze Zeit am Handy, schaute nicht
immer auf die Straße sondern auch mal auf den Laptop oder in den
Rückspiegel und fuhr außerdem wie ein Berserker, aber er kaufte uns immerhin bei der ersten Gelegenheit einen Autoatlas von Polen, weil wir unsere Karte an der Wand im Wohnzimmer vergessen hatten, und brachte uns in zwei Stunden nicht nur nach
Białystok, sondern sogar noch 55km weiter bis fast nach
Augustów. Dort setzte er uns bei einem Motel ab,
einem Haltepunkt für viele LKWs, nur dass viele davon erst am
nächsten Morgen weiterführen. Wir standen also eine Weile wartend
herum, mal auf der einen, mal auf der anderen Seite. Da stoppte schon ein langer LKW
in unserer Einfahrt, die eigentlich die Ausfahrt war, und der Fahrer
winkte uns zu sich und nahm uns auch alle drei zu sich ins
Führerhäuschen auf. Er sprach nur Polnisch, war aber sehr
freundlich und witzig, erzählte gleich seinem Kollegen per Funk,
dass er trzy dziewczyny aufgegabelt hatte, und mit unseren Basis-Sprachkenntnissen kamen wir
doch ganz gut zurecht. Ja, für mich war es gut zu sehen, dass ich
mich ausreichend mitteilen kann, gut, einfach einmal zu sprechen,
weil man es muss, ohne Option auf Englisch. Und dann klappte dieser zweite Krzysztof das zweite Bett herunter und
weil Elodie wach bleiben und aufpassen wollte, schliefen Frederike
unten und ich oben einen kurzen, wackeligen, aber doch auch guten
Schlaf.
Weil unser Fahrer mit seinem
Truck natürlich nicht in das kleine Vilnius fahren konnte, setzte er
un auf der Autobahn ab, die zwar autoleer, aber wundervoll beleuchtet
war, und sagte uns, wir müssten nur 2km
na lewo, na
lewo. Nur als wir dann nach diversen Klettereien auf
einer Straße ankamen, waren dort 11km ausgewiesen. Und diese führten
durch einen dunklen, dunklen Wald ... Was also tun? Wieder
hitchhiken. Und tatsächlich blieb sehr schnell ein alter Mann
stehen, der uns zwar nicht gut verstand, uns aber nach einer
polnischen Erklärung zu sich einlud und uns an einem sehr zentralen
Platz absetzte. Ja, an diesem Tag
hatten alle unsere Hitchhiking-Pläne wunderbar geklappt. Wir hatten
nirgends lange gewartet, alle waren sehr nett gewesen, wir waren
angekommen und nach umgerechnet 1,40€ pro Person Taxifahrt sogar
bei Andrew, unser Übernachtungsgelegenheit, aufgeschlagen, wo wir süßen Tee tranken, über Weißrussland
und die Ukraine, das schöne Vilnius an sich und unsere Pläne
sprachen und irgendwann zufrieden in den kuscheligen Schlafsack
fielen.
Am nächsten Morgen brachen wir ohne
Führung zu unserer Stadterkundung auf. Die Stadt ist schön, zumindest die
Altstadt. Das kommunistische Viertel, in dem wir genächtigt hatten,
reizte mich hingegen gar nicht, aber das ist ja bei allen großen
Städten so. Wir nahmen erst einmal in einem kleinen Kaffee ein süßes
Frühstück, mit einem super leckeren Chai Latte mit Zimt und Schoko
und Muffin ein ... einfach herrlich. Und das bei schönsten Wetter.
Danach begannen wir die Altstadt zu entdecken, trafen sehr viele
Deutsche, in der Tourist-Info eine sehr nette Frau und Elodie ließ
sich einen Piercing stechen. Während sie das tat, warteten Frederike
und ich unterhalb des Turms im Park und sahen viele Gruppen, die in
Bauarbeiterkleidung zusammen gebunden waren und sangen. Hernach
stiegen wir zum Turm auf und es war unglaublich friedlich, hoch über
der Stadt, bei tollem Wetter und herbstlich buntem Laub.
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Unser kommunistischer Wohnblock |
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Ein gutes Frühstück rettet jeden Tag =) |
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Blick in eine griechisch-katholische Kirche |
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Zwei Deutsche vor dem Deutschen Restaurant "Bunte Gans" |
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Blick in eine russisch-orthodoxe Kirche |
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Der Marktplatz |
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Der Turm |
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Blick auf die Neustadt |
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Blick auf die Altstadt |
Wir liefen am Fluss entlang zu unserem
Bus und nahmen in dem nahen Einkaufszentrum ein Abendbrot ein. Vor dem Einkaufszentrum malten wir uns dann ein Riga-Schild und hielten wieder den Daumen raus. Viele Autos
standen an der Ampel und sofort gabelte uns jemand auf. Er verlegte
Fliesen und war freundlich, doch dann gerieten wir in einen Stau und
er entschied, eine andere Route zu nehmen. Also sprangen wir an einer
Ausfahrt raus. Und wieder warteten wir nicht lange. Ein Vitus aus
Weißrussland nahm uns auf. Er sprach besser Englisch, als er dachte und wir unterhielten uns viel. Witzigerweise fragten uns unsere Mitfahrgelegenheiten immer, ob wir uns keine Sorgen machten, ob uns etwas passieren könnte ... und wir sagten immer, wir seien drei wehrhafte, junge Frauen.
Wie auch immer, er setzte uns nach einer
Ausfahrt ab, in völliger Dunkelheit. Mal davon abgesehen, dass es
dunkel war und man uns schlecht sah, malte ich uns eigentlich gute
Chancen aus, mitgenommen zu werden, hatten wir ja bisher immer
schnell jemanden gefunden und außerdem war es erst gegen 8. Aber es
kamen nicht viele Autos und trotz beleuchteter Porsche-Hand hielt
nicht ein Auto und so gaben wir nach vielleicht zwei Stunden schließlich auf. Wir hatten schon
überlegt, in das nahe Dorf zu geh und um Hilfe zu bitten, als auf
der Gegenfahrbahn ein kleiner Laster hielt und lange stehen blieb.
Wir gingen, ob wir helfen konnten. Der Fahrer sprach nur Russisch,
also versuchte ich es auf Polnisch und wir schafften es ihm klar zu
machen, dass wir gerne zur nächsten Stadt wollten. Obwohl er nur
zwei Beifahrerplätze hatte, quetschten wir uns alle drei rein,
Frederike auf meinem Schoß, und er ließ uns an einer Tankstelle
raus, wo es auch ein Hotel gab. Nach wenigen Minuten Probieren
kauften wir uns etwas zum Beißen und checkten im Hotel ein. Mit
knapp 24€ pro Person im 3er-Zimmer war es eine sehr teure Nacht,
dafür aber mit Dusche, warmer Decke, freiem Internet, TV, nettem
Bild ... ein richtiger Hotelaufenthalt eben.
Wir genossen ihn, nahmen am Morgen Kaffee und Tee mit diversen Gebäckstücken zu uns und hielten wieder
unser Riga-Schild raus. Ein netter rundlicher Mann im
mittleren Alter aus Riga lud uns ein. Er war nicht sehr gesprächig,
aber immer mal leierte er ein Ründchen an und dann erzählte er von
einem Nationalpark nahe Riga und wie schön dieser im Herbst sei und
er suchte uns sogar Züge heraus, wie wir dahin kommen könnten.
Außerdem empfahl er uns die Bucht, welche aber 12km vom Stadtzentrum
entfernt ist, obwohl Riga natürlich am Meer liegt. Netterweise
brachte er uns zu Diana nach Hause, sodass wir nicht erst ihre
Adresse suchen mussten und außerdem unser Gepäck ablegen konnten.
Diana ist eine so nette und
liebenswerte Person. Sie
machte uns gleich ein paar Brote und hatte sogar zwei Betten bezogen und Handtücher rausgelegt. Sie hat eine wunderschöne Katze
und einen sehr dicken Hund mit einem sehr weichen, aber kurzen Fell.
Und schon ging sie mit
uns zur Haltestelle, kaufte uns 2-Fahrten-Tickets und wartete sogar
mit uns auf den Bus. Eigentlich sollten wir bis zur Endstation fahren
und eigentlich hatte die auch einen sehr einfachen Namen, aber
irgendwie verpassten wir es trotzdem dort auszusteigen, wo alle
ausstiegen, weil einfach keine Ansage kam, welche Station wir gerade
passierten. Also fuhren wir noch eine kleine große Runde zur
nächsten Station, liefen dann ein Stück zurück und kamen zu einem wunderschönen Park. Der Herbst hier ist
besonders schön, die Bäume waren noch grün, aber es gab auch schon
bunte Blätter. Das Licht war
großartig, alles war großartig.
Auf dem Weg in die Innenstadt, wo wir uns mit Frederikes Freundin Lelde treffen wollten, kamen wir noch am Freiheitsdenkmal vorbei, dem Zeichen der Souveränität Lettlands. Zwei Militärs
halten hier Mahnwache.
Und dann trafen wir schon Lelde und
Tomass an einem Markt, den wir im Laufe des Tages gefühlte tausend
Mal passierten. Zuerst suchten wir ein Café und wir schafften es tatsächlich, den letzten Tisch in
Mārtiņa
Beķereja zu ergattern, einer so tollen
Bäckerei mit Café: Sie hatten mindestens 20 Sorten Tee, guten Tee. Und dann eine lange Theke mit so tollen Kuchen, mit Creme,
mit Frucht, kleine Törtchen, Rollen, Blechkuchen etc. Und hinter den
Verkäuferinnen gab es noch mehr Kuchen: Blechkuchen, die man nach
Gewicht bezahlt, Gebäckstücke, Kekse. Und ich bezahlte für 2 große
Stück Kuchen gerade einmal 0,75€ – für das Geld hätte ich in
Deutschland nicht mal ein Stück Kuchen bekommen.
Danach gingen wir durch
die Altstadt, die sich effektiv zwischen zwei Brücken befindet. Auch d
ie
Bibliothek ist wirklich schön, aber war wie fast immer alles viel zu
teuer und wird dafür von vielen nicht gemocht. Auf jeder Etage sind
Bäder, Ausstellungen, Waschbecken auf dem Flur, es ist cool getäfelt
… ich verliebte mich mehr und mehr in Riga und Lettland an sich
(okay, ich weiß nichts über Lettland, ich kenne nur Riga, aber ich
liebe es, wirklich). Nach der Aussicht kehrten wir in die Stadt
zurück. Da ist dieses super schöne Rathaus mit blauer Uhr, ein Marktplatz mit Kirche und die drei
ältesten Häuser. Wir shoppten in einem
Laden und ich fand heraus, dass in der lettischen Ornamentik das
Hakenkreuz ein Symbol für Sonnenenergie ist, das Glück und Kraft
bringt, hilft, das Böse abzuwehren, und einem im Kampf unterstützt.
Zuletzt besuchten wir noch die Bremer
Stadtmusikanten und natürlich muss man alle vier berühren, um Glück
zu haben. Da der Hahn jedoch sehr weit oben ist, hob uns Tomass alle
nacheinander hoch. Und wer die Geschichte der Bremer Stadtmusikanten
noch mal nachlesen möchte … bitte, ich konnte mich auch nur noch
an Bruchstücke erinnern, als wir erzählen sollten.
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Das Rathaus |
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Das Hakenkreuz als Symbol der Sonnenenergie |
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Die Bremer Stadtmusikanten |
Unsere
erste Station am Abend war eine Bar, in der typisch lettische Biersorten
angeboten wurden.
Doch schon bald zogen wir weiter zu einer Bar, die irgendetwas mit Ali hieß. Am
Eingang mussten wir zwar unseren Ausweis zeigen und ich musste
meine Kekse abgeben, aber dann stiegen wir in den
besten Keller hinab, den ich je gesehen hatte. Zum einen sind hier alle Sorten Menschen, zum anderen spielt Live-Musik. Und man kann wunderbare Sachen essen:
garlic bread, typisch lettisch. Und Kartoffelchips, die aus echten
Kartoffelscheiben gemacht sind (ja, das ist nicht selbstverständlich!).
Ich
schlief gut, nur das Wetter war grauenvoll. Es war sehr verregnet und
kalt. Bei diesem ekligen Wetter brachen wir zum Bus auf und hatten es
eh schon eilig, als Elodie auffiel, dass sie weder ihre Kamera, noch
ihren Ausweis, ihre Bankkarte und ihren Schal hatte. Okay, diese
Dinge waren wichtig und wir gingen zurück. Ich war nicht glücklich,
aber auch nicht angepisst, weil … weil das Leben eben so spielt und
weil ich nicht böse sein konnte und weil ich es eh nicht ändern
konnte. Ja, Elodie hatte ihren ganze Shopping-Beutel vom Vortag in
der Küche stehen lassen. Weil es regnete beschloss ich, dass wir in
Dianas Haus warten konnten, weil der nächste Bus erst in einer
halben Stunde fuhr. Nun, das dachte ich. Aber als wir dann losgingen,
kam uns der Bus entgegen. Okay, 6 Minuten eher. Nächster Bus in
30min. Das würde knapp werden. Und dann … kam der Bus, wir
sprangen in den Bus, aus dem Bus, über und durch viele Pfützen – ja, es war
unmöglich ohne nasse Füße die Straße zu überqueren – immer der
Beschreibung nach, in Richtung Freiheitsmonument, nach links, zu dem
großen Shopping-Center und dann dahinter. Und ja, natürlich waren wir pünktlich und hatten sogar noch Zeit, einen Kaffee zu trinken.
Und schon nahte der
Abschied, ein letztes Selfie und schon sprangen wir in den Bus und
machten es uns bei Filmen und Musik bequem. Und fuhren stundenlang
nach Vilnius und noch viel länger nach Warschau, plus
Zeitverschiebung. Was für eine gelungene Reise. Danke Mädels!
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Wir kamen noch mal an UNSEREM Hotel vorbei ^^ |
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Passkontrolle! |