Freitag, 8. Mai 2015

Montag bis Mittwoch, 13. - 15.04.2015: Kleine Erkundsungstouren in der Ukraine


Am Morgen musste ich zeitig aufstehen, um einen Bus um 5 Uhr zu erwischen. Aus irgendeinem Grund fuhr der Bus aber an jenem Tag nicht und so gingen wir zurück, ich schloss meine Augen noch mal für 20min (denn seit meiner Ankunft hatte ich ja über 24h am Stück nicht geschlafen) und endlich, endlich ging es los nach Kolomyja (Коломия). Von dort wollten mich Olya und ihr Vater abholen und sie freuten sich beide sehr, als ich sie mit dem Auferstehungsgruß „Христос воскрес!“ begrüßte. Man nutzt ihn hier in der Ukraine nach Ostern anstatt eines Hallos, je nach Region bis zu zwei Wochen, man könnte aber bis Pfingsten. Der Angesprochene antwortet „Воістину воскрес!” (Er ist wahrhaftig auferstanden!). Schon auf der Fahrt tauschten wir uns heftig über unsere Erlebnisse aus, sodass wir gar nicht mitbekamen, wir schnell die Zeit verging und wie im Flug waren wir auch schon im Olyas Heimatstadt Tschernowitz (Чернівці) angekommen. Nachdem wir uns mit einem leckeren Frühstück gestärkt hatten, brachen wir mit Olyas Cousine Julia bei wärmsten Sommerwetter zu einer Erkundungstour in die Stadt auf. Gleich bei ersten Station, der Universität, schaffte ich es meine Kamera fallen zu lassen, woraufhin sie nicht mehr fokussieren wollte. Also ließen wir sie ein wenig ausruhen und ich genoss es mal keine Bilder machen zu müssen, sondern andere machen zu lassen.

Mit Olya im Universitätsgarten ...

... und in der Uni


Am frühen Abend nahmen wir einen Nachtzug nach Kiew. Verglichen mit dem baugleichen Sowjetzug in Armenien bot dieser hier einen Haufen Komfort: Es gab Luftmatratzen, Laken für das Bett und zum Überziehen der Decke, sogar ein Handtuch und dicke, bauschige Kissen. Der Tee kostete 5 ­UAH, was auch ziemlich billig war, meinte Olya.
War es beim Einsteigen noch brühheiß gewesen, stimmte uns das bald in kalten Regen umschlagende Wetter schon mal auf den wechselhaften April ein. Olya nutzte die friedlichen Stunden, um mir mehr über ukrainische Geschichte, die Maidan-Proteste und die Hungerkatastrophe 1932/33 zu erzählen. 
In Kiew kamen wir mit 10 Minuten Verspätung an. Während mich das nicht sonderlich störte, da ich die alltäglichen Verspätungen der Deutschen Bahn gewohnt bin, regte Olya das schon ziemlich auf und sie war sogar überrascht zu hören, dass im ach so pünktlichen Deutschland gerade die Züge oft auf sich warten ließen.
Ich traf mich mit meinen Gastgebern Olya und Sergej und bei Tee und Osterkuchen tauschten wir uns in einem englisch-deutsch-polnischen Sprachgemisch aus, Sergej hatte nämlich mal in der deutschen Firma gearbeitet und seit einem Jahr lernen beide Polnisch, weil sie nach Polen immigrieren wollen. Es sollte sich also zeigen, dass sich meine Bemühungen mit der polnischen Sprache auszahlten. Sie erzählten mir z.B. über die Katastrophe in Tschernobyl: Sergej, der damals als im nur etwa 120km entfernten Kiew gelebt hatte, wurde von seinen Eltern verboten nach draußen zu gehen. Außerdem musste er bald nach der Katastrophe für 3 Monate in ein Kamp im Westen des Landes, um dem Fallout nicht so stark ausgesetzt zu sein. Als ich meinen Gasteltern von meinen Handyproblemen erzählte und sie mir auch nicht helfen konnten, boten sie mir einfach ihres an. Das ist ukrainische Gastfreundschaft.
Den Nachmittag verbrachte ich allein in der Innenstadt, kraxelte auf so manchen Hügel, denn Kiew ist wie Rom auf sieben Hügeln errichtet, und besuchte viele Kirchen. Über das St.-Michaelskloster ist interessant zu erfahren, dass die Glocken des Turm in der gesamten Geschichte nur zwei Mal geläutet haben, denn sie sollten die Einwohner der Stadt vor Gefahr warnen: das erste Mal im 13. Jahrhundert bei der Invasion Kiews durch die Tataren, das zweite Mal war an dem Tag der Maidan-Proteste, als die Spezialeinheit Berkut die Studenten gewaltsam auseinandertrieb.

St.-Michaelskloster

St.-Andreas-Kirche


Am Mittwochmorgen regnete es sehr stark. Ich wollte mir einen Park mit historischen Gebäuden anschauen, aber angesichts der Wetterlage ließ ich zu, dass wir das Frühstück bis mittags ausdehnten und brach erst dann mit genialer Wegbeschreibung und geborgtem Regenschirm (denn ich hatte meinen in den Bergen vergessen) auf. Dank mehrerer ausgedruckter Karten hatte ich keinerlei Probleme Mamajewa Sloboda (Мамаєва Слобода) zu finden. Von einer Schulklasse abgesehen war ich auch allein und konnte den sprießenden Frühling an der frischen Luft ganz in Ruhe genießen.

Direkt neben neuen Wolkenkratzern ...




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